Vorstellung des FMI – Fachzentrum für Soziale Arbeit in den Bereichen Migration und Integration in Brandenburg

von Anne Müller, Projektleitung, FMI – Fachzentrum für Soziale Arbeit in den Bereichen Migration und Integration


Ich bedanke mich für die Einladung und freue mich, Ihnen das FMI – Fachzentrum für Soziale Arbeit in den Bereichen Migration und Integration in Brandenburg vorstellen zu dürfen[1]. Das FMI besteht seit nunmehr drei Jahren. Trägerverein ist die Gesellschaft für Inklusion und Soziale Arbeit e.V. (ISA), die sich seit fast 30 Jahren im Land Brandenburg mit unterschiedlichsten Projekten für eine Partizipation aller Menschen am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenleben in der Gesellschaft einsetzt. Um unsere Arbeit darzustellen ist es wichtig, vorab kurz Termini und strukturelle Rahmenbedingungen zu skizzierten.


Das Landesaufnahmegesetz,
seine Durchführungsverordnung und Anlage vier

Das Landesaufnahmegesetz des Landes Brandenburg, das 2016 umfangreich novelliert wurde, regelt die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden, Spätaussiedler*innen und aus dem Ausland zugewanderten Personen[2]. Bedeutsam ist, dass in der Durchführungsverordnung und seiner Anlage vier auch ganz konkret Aufgaben, Anforderungen und Qualitätsstandards der Sozialen Arbeit in den Bereichen Migration und Integration festschrieben wurden. Unter anderem werden darin folgende Standards formuliert:

  • Aufgabenwahrnehmung unter Einhaltung der allgemeinen Grundstandards der Sozialen Arbeit
  • Weisungsfreiheit und keine Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben
  • Anwendung einschlägiger  Methoden
  • Gewährleistung von Super- und Intervisionsangeboten und Fortbildungen
  • Gewährleistung Datenschutz, Schweigepflicht
  • Ordnungsgemäße Aktenführung und -verwahrung, angemessene Dokumentation
  • Erreichbarkeit der Angebote der Migrationssozialarbeit
  • Transparente Darstellung von Aufgaben und Zuständigkeiten
  • Vernetzung und Kooperation
  • Anwendung geeigneter Instrumente der Qualitätssicherung[3].

Migrationssozialarbeitende besitzen durch Festschreibungen und damit verbundene Normierung eine einzigartige Chance und Handlungssicherheit für die Ausgestaltung ihrer Arbeit – soweit die Theorie. In der Praxis treten diesbezüglich natürlich dennoch Konfliktfelder auf. Beispielhaft seien Probleme mit der Weisungsfreiheit, Doppelfunktionen und das umfangreiche Aufgabenspektrum versus niedriger Personalbesatz genannt.


Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten

In Brandenburg wird, geprägt durch das Landesaufnahmegesetz, allgemein der Begriff der „Migrationssozialarbeit“ verwendet. Um der Bandbreite der zu leistenden Aufgaben im Tätigkeitsfeld gerecht zu werden, hat sich das FMI durch seine Namenswahl allerdings bewusst gegen diesen Terminus entschieden. Grundlage hierfür bildet unser Standpunkt, dass Migration allein nicht automatisch integrative Prozesse in Gang setzt. Für das FMI bedeutet Integration dabei die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Ganzen und wird als wechselseitiger und dynamischer Prozess auf Augenhöhe verstanden. (Gelingende) Integration ist eine Querschnittsaufgabe, welche uns auch noch die nächsten Jahrzehnte begleiten wird.


Das FMI

Nach wie vor befindet sich die Soziale Arbeit in den Tätigkeitsfeldern Migration und Integration im ständigen Wandel und wird fortlaufend mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Fragen nach den Standards und Methoden Sozialer Arbeit in diesen Bereichen, aber auch Kenntnisse und Fähigkeiten einer qualifizierten und bedarfsgerechten sozialen Beratung und Unterstützung für Geflüchtete spielen im Tätigkeitsfeld eine große Rolle. Die hohe Komplexität des Arbeitsfeldes und der zu leistenden Aufgaben setzen dabei eine permanente Qualifizierung und einen fachlichen Austausch voraus.

Zentrales Ziel des FMI ist es deshalb, den Prozess der Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit in den Bereichen Migration und Integration praxisnah fachlich und methodisch zu unterstützen, zu begleiten, zu fördern und damit Professionalisierungsprozesse entlang der sich stetig verändernden Herausforderungen anzustoßen. Was aber bedeutet Professionalisierung hier ganz konkret? Für das FMI bedeutet dies unter anderem:

  • Erarbeitung eines gemeinsamen Leitbildes (Haltung)
  • Diskussion über Berufsethik
  • Fortbildungsmöglichkeiten
  • Pflege von Fachaustauschen
  • (Geschützte) Räume für Verständnisdiskussionen
  • Kollegiale Beratung
  • Nutzung von Supervisionsangeboten
  • Entwicklung eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses
  • Fachliche Standards
  • Entwicklung einheitlicher Qualitätsstandards und Strukturen in der Migrationssozialarbeit
  • Anwendung und Entwicklung geeigneter Instrumente der Qualitätssicherung
  • Einhaltung struktureller Rahmenbedingungen.

Das FMI stellt kontinuierlich handlungspraktische Orientierungen in einem sich stetig entwickelnden und verändernden Handlungsfeld zur Verfügung. Darüber hinaus ist es Schnittstelle zwischen den verschiedensten Akteur*innen wie Sozialarbeitenden, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis.

Um den Anspruch eines landesweiten Fachzentrums gerecht zu werden, agiert das FMI an verschiedenen Standorten. Zusätzlich hat sich die Gliederung in folgende Fachbereiche als zielführend erwiesen:

  • Soziale Arbeit
  • Integration
  • Gesundheit
  • Vulnerable Gruppen
  • Interkulturelle Kompetenz
  • Religion.

Um eine Praxisnähe zu garantieren, arbeiten die einzelnen Fachbereiche themenübergreifend eng zusammen. Der Fokus der Angebote des FMI liegt hauptsächlich auf dem personalisierten und dem kodifizierten Wissenstransfer. Fortbildungen, Konferenzen, Vernetzung und Austauschformate gehören ebenso wie vertiefende Beratungen zum Portfolio des FMI. Die Angebote, welche individuell und passgenau gestaltet werden, richten sich dabei an alle im Tätigkeitsfeld hauptamtlich Beschäftigten.


Entwicklung einer Modularen Weiterbildung für Quereinsteiger*innen

Die Debatte des Fachkräftemangels im Tätigkeitsfeld der Migrationssozialarbeit prägte längere Zeit auch die Brandenburger Landschaft. Ohne den unermüdlichen Einsatz der Quereinsteiger*innen hätten die Herausforderungen der letzten Jahre nicht bewältigt werden können. Trotz ihres großen Enthusiasmus, den man ohnehin für dieses Praxisfeld mitbringen muss, stießen sie fachlich – insbesondere was die Methoden der Sozialen Arbeit betrifft – teilweise an ihre Grenzen. Eine fehlende Zertifizierung erschwerte zusätzlich die Zukunftsperspektive – und dies in einem Arbeitsfeld, das sich durch eine relativ hohe Fluktuation auszeichnet.

Das FMI hat sich lange mit der Frage beschäftigt, wie hier Unterstützung geleistet werden könnte. In Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Bildungswerk LV Brandenburg e.V. wurde deshalb 2018 ein Curriculum für eine modulare Weiterbildung entwickelt, welches die Grundlagen der Sozialen Arbeit vermitteln soll. Die zertifizierte Weiterbildung umfasst einen Stundenanteil von insgesamt 224 Unterrichtseinheiten (plus 40 Stunden Selbstlernanteil) und erfüllt bei erfolgreicher Teilnahme die Anforderungen für eine „Zustimmung der Ausnahme der Qualifikationsanforderungen“ in Brandenburg. Zusätzlich kann die Weiterbildung bei Besuch von migrationsspezifischen Seminaren des FMI (40 Unterrichtseinheiten) mit dem Zusatz „Schwerpunkt Migration“ abgeschlossen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das FMI seit seinem Bestehen auf einigen Feldern vorangekommen ist. Nennen möchte ich hier insbesondere die Vernetzung der Akteur*innen unterschiedlicher Ebenen, die zertifizierte modulare Weiterbildung, den fachlichen Austausch und die zahlreichen Fortbildungsangebote. Um den Anforderungen von Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden, müssen weiterhin verstärkt Qualitätsdebatten angestoßen und geführt werden. Denn nur so lassen sich langfristig Wege zur Teilhabe und Integration festigen. Das FMI ist auch künftig bemüht, diese Prozesse bestmöglich voranzutreiben und zu unterstützen. Professionalisierungsprozesse werden auch in Zukunft eine Aufgabe bleiben.


Anne Müller

Dieser Artikel gehört zum Arbeitstisch 6 des Fachtages Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen (2020):

Weiterbildung in der FSA

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen” (2020)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net


[1] Das FMI wird durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV) gefördert.

[2] §§1f., LAufnG.

[3] Anlage4, LAufnGDV.


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