Professionalisierung der Geflüchtetensozialarbeit — (Modulare) Weiterbildungen für Quereinsteiger*innen/multiprofessionelle Teams

von LaFaSt FSA/MSA in Sachsen

Foto: Guillaume Robin / LaFaSt


FSA-Akteur*innen fordern seit Beginn der institutionalisierten FSA (modulare) berufsbegleitende Weiterbildungen zu schaffen, sei es bei Bildungsträgern oder an Hochschulen. Dadurch können die Beratungsqualität gesichert und multiprofessionelle Teams gestärkt sowie das langjährige Engagement von Quereinsteiger*innen in die Flüchtlingssozialarbeit gewürdigt werden. Eine fortwährende Professionalisierung und die damit einhergehende Qualitätssicherung der Flüchtlingssozialarbeit birgt enorme Potenziale für eine Migrationsgesellschaft – sowohl bezüglich der Stärkung individueller Potentiale als auch des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

In vielen Trägern arbeiten multiprofessionelle Teams, d.h. sowohl Mitarbeitende mit Sprach- und Kulturkenntnissen als auch interdisziplinäre Quereinsteiger*innen. Um sowohl die Qualität der Sozialen Arbeit als auch die beruflichen Perspektiven der oft langjährigen Mitarbeitenden abzusichern, wünschen sich Träger und Mitarbeitende einen fest verankerten Zugang zu Fachwissen und -kompetenz. In der FSA ist tendenziell diverses Personal beschäftigt, das häufig nicht in Deutschland bzw. der EU ausgebildet ist und das enorme Schwierigkeiten mit der formalen Anerkennung seiner Berufsabschlüsse hat. Für diese bereits begonnene interkulturelle Öffnung brauchen Quereinsteiger*innen Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten, die als Nachweis der Fachkompetenz anerkannt werden.[1]

Laut der Definition von Sozialer Arbeit[2] bestehen die Kernaufgaben der Profession in der Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung, des sozialen Zusammenhalts sowie in der Ermächtigung und Befreiung von Menschen. Als grundlegende Prinzipien der Sozialen Arbeit sind soziale Gerechtigkeit, die Menschenrechte sowie gemeinsame Verantwortung und der Respekt für Verschiedenheiten definiert. Dabei spielt die Achtung der Autonomie der Klient*innen eine wesentliche Rolle. So braucht es von Seiten der Sozialarbeitenden Verständnis und Unterstützung bei der Umsetzung eigener Lebensperspektiven. Aber auch eine stete Auseinandersetzung mit der eigenen beruflichen Rolle gehört zu einem professionellen Handeln. Das betrifft einerseits die Reflexion der Arbeitsbeziehung zu den Klient*innen sowie andererseits den kritischen Blick auf die institutionellen Eingebundenheit der eigenen Tätigkeit. Machtverhältnisse können durch einen sensiblen und kritischen Umgang aufgebrochen werden.

Das Einstehen gegen Willkür, Rassismus und Unterdrückung sind Grundsätze, welche sich aus ethischen Standards der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen unmittelbar ableiten lassen. Hierfür bedarf es einer professionellen Haltung, welche die Würde und Persönlichkeit jedes Menschen, unabhängig von dessen Herkunft, Hautfarbe, Religion, sozialer Stellung, politischer Überzeugung, Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung achtet und schätzt. Diese Professionalität kann nur über eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte erlangt werden.

Bei der Recherche zu den Bedingungen von FSA/MSA in den anderen Bundesländern, zeigte sich, dass in vielen Bundesländern eine Professionalisierung der Fachkräfte gefordert wird. Allerdings findet sich nur im Bundesland Brandenburg eine einheitliche Umsetzung einer modularen Weiterbildung für Quereinsteiger*innen.

In der sächsischen Kommunalpauschalen-verordnung (KomPauschVO)[3] ist festgehalten, dass für die Absicherung der Qualität Standards der Sozialen Arbeit eingehalten werden müssen. So heißt es an betreffender Stelle: „Die Zuwendung […] setzt voraus, dass die Angebote zur Flüchtlingssozialarbeit […] den Qualitätsstandards der sozialen Arbeit genügen und entsprechende Konzeptionen und Aufgabenbeschreibungen vorsehen […]. Die Zuwendung […] setzt voraus, dass qualifiziertes Personal eingesetzt wird […].[4] Diese Aussage kann dahingehend interpretiert werden, dass die einzustellenden Fachkräfte der FSA/MSA ein abgeschlossenes Studium in den Bereichen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik oder bei Eignung auch andere vergleichbare Studiengänge (wie bspw. ein abgeschlossenes Studium in Psychologie, Erziehungswissenschaften) vorweisen müssen. Dies ist in der Realität schwierig umzusetzen. Gerade durch den Anstieg der Zahlen von Flüchtenden mit Ausbruch des Ukrainekrieges kann eine Stellenbesetzung in den Bereichen FSA/MSA ausschließlich mit Fachpersonal nicht umgesetzt werden. Auch würde dies einen Ausschluss fachlich guter, jahrelanger Kolleg*innen bedeuten. Hier erscheint es sinnvoll, Kolleg*innen nachzuqualifizieren.

Um eine professionelle und qualifizierte Soziale Arbeit mit Geflüchteten zu festigen, braucht es für Quereinsteiger*innen und multiprofessionelle Teams die Möglichkeit, die Grundlagen Sozialer Arbeit zu erlernen. Eine Variante zur Festigung methodischen Handels ist die modulare Weiterbildung. In Sachsen ist den Trägern überlassen, ob und in welcher Form sie die Mitarbeitenden im Bereich der FSA schulen.

Ebenso sollten Flüchtlingssozial-arbeiter*innen die Möglichkeit erhalten, weiterführende Qualifikationen zu erwerben und über regelmäßige Fort- und Weiterbildungen Wissen aufzufrischen. Dazu gehören

  • Sprachkompetenzen (mindestens eine weitere Sprache)
  • Rassismuskritische Weiterbildungen
  • Kenntnisse im Asyl- und Aufenthaltsrecht
  • Kennnisse im Sozialrecht (u.a. SGB II; AsylbLG; SGB VIII; SGB XII)
  • Beratungskompetenzen; Kommunikations- und Moderationskompetenz

Das Thema modulare Weiterbildungen für Quereinsteiger*innen wird uns als Landesfachstelle auch im kommenden Jahr beschäftigen. Für eine einheitliche Entwicklung einer modularen Weiterbildung für Quereinsteiger*innen im Land Sachsen scheinen folgende Fragen zentral:

  • Wie sind trägerinterne Weiterbildungsangeboten konzipiert? Welche Erfahrungen haben Träger in der Durchführung?
  • Welche Angebote stellen Weiterbildungsträger auf Landesebene zur Verfügung? Wie ist deren Finanzierung gesichert?
  • Wie könnte ein modularisiertes Weiterbildungsangebot aus bestehenden Angeboten sächsischer Träger aussehen?
  • Wie können Hochschulen zur Qualitätssicherung eingebunden werden?

Fachinput zu:

Modulare Weiterbildung Grundlagen der Flüchtlingssozialarbeit

von Alexander Melzer, Pandechaion Herberge e.V.

Qualifizierung in der Sozialen Arbeit in den Bereichen Migration und Integration am Beispiel des Bundeslandes Brandenburg

von Anne Müller, Projektleitung FMI – Fachzentrum Migration Integration,ISA – Gesellschaft für Inklusion und Soziale Arbeit e.V.


von Dorit Starke, Projekt Etablierung einer Landesfachstelle FSA/MSA in Sachsen

Diskussion

Nach der Vorstellung der zwei Referent*innen wurden die Teilnehmenden zum Austausch eingeladen. Die Diskussion war sehr angeregt. Die Meinungen der Teilnehmer*innen bestätigte die Aussagen der Positionspapiere diverser Interessenvertreter*innen[5] sowie verschiedene Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der FSA in Sachsen.[6]

An dieser Stelle sollen wichtige Impulse genannt werden:

  • Viele Fachkräfte wünschen sich die Möglichkeit zu kollegialen Fallberatungen. Dieses Angebot kann sowohl trägerintern als auch trägerübergreifend angeboten werden.
  • Anregungen zu Themen einer Qualifizierung:
    • Methoden und Grundlagen in der Geflüchtetensozialarbeit (explizit genannt wurde der Aspekt der Haltung in der Geflüchtetensozialarbeit)
    • gesetzliche Grundlagen im Arbeitsfeld
    • Lobbyarbeit
    • Projektanträge – wie müssen diese geschrieben werden?
  • Bei einem dualen Studiengang braucht es ausreichend Zeit für die Absolvent*innen, sich auf das Studium und die Arbeit konzentrieren zu können
  • Finanzierung der Weiterbildung und Qualifizierung muss gesichert sein
  • Multiprofessionelle Teams: Anerkennung Berufsabschlüsse/Vereinfachung bei der Nachqualifikation, Fachsprachkurse
  • Gerade multiprofessionelle Teams müssen bei einer Qualifizierung unterstützt werden.
  • Auf Landesebene:
  • einheitliche Qualifizierung
  • spezielle Angebote verschiedener Bildungsträger zu einer Reihe bündeln
  • verpflichtende Anzahl von Fortbildungen im Jahr für alle Fachkräfte und Fortbildungsurlaub, Budget für Fortbildungen (auch für Ukraine-Teams), auch für die Leitungsebene verpflichtend
  • ein einheitliches landesweites Bewertungssystem

Wir danken den Teilnehmenden des Workshops für den offenen und angeregten Austausch. Die Einschätzung der Fachkräfte ist enorm wichtig um das Themenfeld der Qualifizierung und (modularen) Weiterbildung für die FSA in Sachsen voranzutreiben.

Dorit Starke

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

“Soziale Ausschließung, Widerständigkeiten und die Rolle der Geflüchtetensozialarbeit” (2022)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net


[1]  In den letzten Jahren sind verschiedene Positionspapiere zu dem Thema „Professionalität in der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten“ von Interessenvertreter*innen der FSA in Sachsen erarbeitet worden. Vgl. hierzu: Positionspapier der LAG (www.lag-migration-sachsen.org/ [12.01.2023]), Positionspapier der Liga (www.liga-sachsen.de/fileadmin/user_upload/news/2017/fluechtlingssozialarbeit.pdf [20.01.2023])

[2]  Definition nach dem Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH). Vgl.: www.dbsh.de/profession/definition-der-sozialen-arbeit/deutsche-fassung.html [12.01.2023]

[3]  Vgl.: §3 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 Sächs KomPauschVO (https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/19379#p3 [12.01.2023])

[4]  Ebd.

[5]  Vgl. Positionspapier der LAG (www.lag-migration-sachsen.org/ [12.01.2023]), Positionspapier der Liga (www.liga-sachsen.de/positionen/beitrag/liga-veroeffentlicht-standards-der-fluechtlingssozialarbeit.html [15.01.2023])

[6]  Vgl. Gemende et al.: Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen 2017. Ausgewählte Ergebnisse einer landesweiten Befragung zu Beschäftigungsverhältnissen, Rahmenbedingungen, Aufgaben und Standards. (www.willkommen.sachsen.de/download/Studie_Fluechtlingssozialarbeit_in_Sachsen_2017.pdf [20.01.2023]); Gemende et al.: Auswertung der Regionalwerkstätten. Zukunft der Flüchtlingssozialarbeit. (www.ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/Auswertung_Regionalwerkstaetten_Sachsen_Zukunft_der_FSA.pdf [20.01.2023])

Wirkungsziele der Flüchtlingssozialarbeit:

  • Selbstbestimmung, Partizipation und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen sind zentrale Ziele der Sozialen Arbeit und somit auch der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten.
  • Flüchtlingssozialarbeit verfolgt die Sicherung des persönlichen, sozialen und materiellen Wohlergehens ihrer Klient*innen. Dies umfasst die Realisierung ihrer vollen gesellschaftlichen Teilhabe, Sicherheit und Entfaltung, den gleichen Zugang zum Wohnungs-, Arbeits- und Konsummarkt, die selbstbestimmte Unterbringung sowie die Zugänge zu sozialer Unterstützung und einer umfassenden und uneingeschränkten Gesundheitsversorgung.
  • Flüchtlingssozialarbeit unterstützt die individuelle Entwicklung. Dabei geht es u.a. um die Förderung von Bildung, Aus-, Fort- und Weiterbildung; den Zugang zu Möglichkeiten zum Spracherwerb, die Anerkennung von Lebenserfahrung und vorhandenen Kompetenzen der Klient*innen sowie die Förderung der Aufnahme selbstgewählter Beschäftigungen.

Quelle: Positionspapier der LAG (www.lag-migration-sachsen.org/ [12.01.2023])


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