Mit menschenrechtsorientierter Gemeinwesenarbeit gegen Demokratiegefährdung und extrem rechte Orientierungen

Vortrag von Dr. Friedemann Bringt, Fachreferent Qualitäts- und Berufsfeldentwicklung im Bundesverband Mobile Beratung e.V.


Am 13.04.2023 an der ehs Dresden aufgenommen

Zivilgesellschaften sind nicht unbedingt progressiv, demokratisch und gemeinwohlorientiert. Sie können reaktionär, antidemokratisch und aggressiv eigenwohlorientiert sein. Ausgehend von den Ergebnissen seiner Untersuchung beschreibt Dr. Friedemann Bringt Gelingensbedingungen für sozialräumliche Veränderungsprozesse zu mehr demokratischer Alltagskultur und entwickelt Vorschläge für die konzeptionelle Weiterentwicklung von Gemeinwesenarbeit (GWA) in diesem Kontext.

Dr. Friedemann Bringt

Dr. Friedemann Bringt studierte 1995-2000 an der EHS Dresden soziale Arbeit, 1998 bei Utrecht Gemeinwesenarbeit und 2003-06 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession bei Prof. Dr. Silvia Staub-Bernasconi. Er gründete 2001 mit Kolleg*innen die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Kulturbüro Sachsen e.V. und ist heute Fachreferent für Qualitäts- und Berufsfeldentwicklung beim Bundesverband Mobile Beratung e.V. Das Buch „Umkämpfte Zivilgesellschaft. Mit menschenrechtsorientierter Gemeinwesenarbeit gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit“ erschien 2021. Es stellt seine Forschung zu Gemeinwesenarbeitsprojekten in der Auseinandersetzung mit Demokratiegefährdung und extrem rechten Orientierungen in Sachsen vor und gibt praktische Anregungen für Sozialprofessionelle und Interessierte.

Grundlage und Hintergrund für den Vortrag mit Diskussion ist sein Buch „Umkämpfte Zivilgesellschaft. Mit menschenrechtsorientierter Gemeinwesenarbeit gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit“, das im Frühjahr 2021 im Verlag Barbara Budrich erschienen ist.

„Umkämpfte Zivilgesellschaft.
Mit menschenrechtsorientierter Gemeinwesenarbeit gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit“

Bezugslink

Es lässt sich ein Trend verzeichnen, nachdem gewalt­tätig rassistische Haltungen sowohl von extrem rech­ten als auch reaktionär-bürgerlichen Milieus geteilt werden und sich im öffentlichen Diskurs normalisie­ren. Diese Situation spiegelt wider, was die soziolo­gische Einstellungsforschung seit Jahren attestiert: Zivilgesellschaften sind nicht unbedingt progressiv, demokratisch und gemeinwohlorientiert. Sie können reaktionär, antidemokratisch und aggressiv eigen­wohlorientiert sein. Mit Blick auf diese „dunkle Seite der Zivilgesellschaft“ untersucht die Arbeit speziell für solche Problemkonstellationen konzipierte Projekte einer menschenrechtsorientierten Gemeinwesenar­beit (GWA).

„Der Autor reflektiert den Einfluss sächsischer Verhältnisse und Politik auf die Projektarbeit. Thematisierte die „klassische“ GWA meist soziale Klassen-, Armuts- und Ausgrenzungsver­hältnisse, die es durch gemeinschaftliches Handeln zu über­winden galt, so stehen in der GWA des Kulturbüro Sachsen e.V. demokratie- und menschenfeindliche Entwicklungen in Sachsen im Zentrum. Gefordert ist eine politische, genauer demokratiepolitische GWA, die sich der „dunklen Seiten“ der lokalen Zivilgesellschaft annimmt.“

Prof. Dr. Roland Roth, Hochschule Magdeburg-Stendal

„Bringt legt ein sys­tematisch entwickeltes Konzept einer menschenrechtsorien­tierten GWA vor, die Menschen und Institutionen ermöglicht, Demokratie vor Ort zu stärken und sich damit gegen Ideolo­gien der Ungleichwertigkeit zu schützen.“

Prof. Dr. Andreas Zick, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld

Dr. Friedemann Bringt, Fachreferent Qualitäts- und Berufsfeldentwicklung im Bundesverband Mobile Beratung e.V.

Fotos: Guillaume Robin / LaFaSt


Dieser Vortrag gehört zu der Reihe:

Zwischen den Stühlen? Konturen einer menschenrechtsorientierten Sozialen Arbeit im Kontext Flucht, Migration und Asyl

Vortrag n°1:
Mit menschenrechtsorientierter Gemeinwesenarbeit gegen Demokratiegefährdung und extrem rechte Orientierungen

Zivilgesellschaften sind nicht unbedingt progressiv, demokratisch und gemeinwohlorientiert. Sie können reaktionär, antidemokratisch und aggressiv eigenwohlorientiert sein. Ausgehend von den Ergebnissen seiner Untersuchung beschreibt Dr. Friedemann Bringt Gelingensbedingungen für sozialräumliche Veränderungsprozesse zu mehr demokratischer Alltagskultur und entwickelt Vorschläge für die konzeptionelle Weiterentwicklung von Gemeinwesenarbeit (GWA) in diesem Kontext.

Vortrag n°2:
Unabhängige Beschwerdestellen für Geflüchtete – Aufbau, Struktur und Praxis

In Sozialberatungsstellen, bei Anwälten oder in ehrenamtlichen Strukturen werden von geflüchteten Menschen zahlreiche Beschwerdethemen angesprochen, seien es Probleme in einer Unterkunft, Stress mit Behörden oder Diskriminierung bei der Gesundheitsversorgung. Doch wer soll dies alles bearbeiten? Dafür kommen unabhängige Beschwerdestellen in Betracht, von denen es in Deutschland bisher leider nur wenige gibt. Im Vortrag geht es deshalb um die Frage, wie Beschwerdestrukturen geschaffen werden können, wie sie aufgebaut sein sollten und wie die Praxis des Umgangs mit Beschwerden aussehen kann. Diese und weitere Fragen werden am Beispiel eines Pilotprojekts praxisnah diskutiert.

Vortrag n°3:
Arbeitsbeziehungen von Sozialarbeitenden bzw. freiwillig Engagierten im Handlungsfeld Migration

Soziale Arbeit und freiwilliges Engagement sind nicht erst seit der Fluchtmigration 2015/2016 in komplexer Weise miteinander verbunden. Anhand einer empirischen Untersuchung wird sich im Vortrag mit Arbeitsbeziehungen zwischen Sozialarbeiter*innen bzw. freiwillig Engagierten und den von ihnen im Handlungsfeld Migration adressierten Menschen auseinandergesetzt. Es wird dargestellt wie die Praxis gestaltet wird und welche Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten es gibt.

Vortrag n°4:
Das Erfahrungswissen von früh Zugewanderten als Potenzialfür und Herausforderungen bei der Integration neu Zugewanderter

In der Sozialen Arbeit wird das Potenzial von Migrantinnen aus früheren Migrationsphasen als Lotsen, Sprach und Kulturvermittlerinnen etc. für neu Zugewanderte gesehen. Ziel ist es, strukturelle Herausforderungen zu bewältigen und den Umgang mit dem „Fremdsein“ zu unterstützen. Sowohl Autochthonen als auch alteingesessene, etablierte Migrantinnen empfinden die als Geflüchtete Zugewanderten in den Jahren 2015/2016 als „fremd“.

Rassismus und Vorbehalte von alteingesessenen Migrantinnen gegenüber Geflüchteten widersprechen jedoch der Lotsenidee der Sozialen Arbeit. Tatevik Mamajanyans Studie konfrontierte frühere Zugewanderte (aus den 1990er Jahren) mit den Erfahrungen der Zugewanderten (aus 2015/2016), um Raum für Reflexion und den Austausch über alltäglichen Rassismus zu bieten. Gleichzeitig wurde das Erfahrungswissen der Alteingesessenen für die Integration der Neuzugewanderten zugänglich gemacht.

Vortrag n°5:
Migrationssozialarbeit in Cottbus/Chóśebuz

In Brandenburg wird FSA als Migrationssozialarbeit gefasst, ist gesetzlich im Landesaufnahmegesetz geregelt und wird subsidiär umgesetzt. In Cottbus hat das Sachgebiet Bildung und Integration seit 2018 ein integriertes Modell mit einer umfangreichen Zuständigkeit der MSA sowie einer starken sozialräumlichen Orientierung (z.B. Quartiersläufer*innen, schulischer MSA & Kulturmittlung) entwickelt und implementiert. 2020/21 wurde eine Wirkungsanalyse durchgeführt. Dr. Stefanie Kaygusuz-Schurmann gibt Einblicke in deren Ergebnisse und die aktuellen Entwicklungen in Cottbus.

Vortrag n°6:
Why should we consider refugees’ acculturation processes in social work?
The example of Syrian refugees in Germany

In diesem Vortrag wird Dr. Ahmad AL Ajlan die Bedeutung von Akkulturation und die grundlegenden Faktoren erläutern, die die Akkulturation von Migrantinnen und Geflüchteten beeinflussen. Darüber hinaus wird er einige bekannte Akkulturationsmodelle und die Hauptunterschiede zwischen ihnen erläutern. Darüber hinaus wird er aufzeigen, welche Erkenntnisse Sozialarbeitende aus der Akkulturation von syrischen Geflüchteten in Deutschland für ihre Arbeit mit Zwangsmigrantinnen ableiten können.