Kommit Bautzen

von Hamida Taamiri, Projektkoordinatorin bei POKUBI Sachsen – Projekt „KOMMIT“


Wir sind gekommen und möchten teilhaben

Dazu müssen wir klären, welche Rolle Migration in unserer Gesellschaft spielt. Was bedeutet Migration für unsere Gesellschaft? Und was verstehen wir unter Migration, warum migrieren Menschen überhaupt?

Migration wird oft mit Krieg, Flucht und Vertreibung gleichgesetzt, aber Menschen migrieren auch aus anderen Gründen, z.B. aus Liebe, im Rahmen ihres Studiums, einer Ausbildung oder einer Arbeit. Menschen, die migriert sind, sind immer Teil der Gesellschaft, in der sie leben, in der ihr Alltag stattfindet. Darum spielt Migration eine große Rolle bei der Entwicklung der Gesellschaft insgesamt.

Und so ist es auch egal, ob wir als Migrant*innen kürzer oder länger bleiben. Es ist eine Tatsache, dass wir gekommen sind, dass wir hier sind, dass wir hier leben. Es ist also eine Tatsache, dass wir Teil der Gesellschaft sind, wir sind Bürger*innen des Ortes und des Landes, in dem wir leben.

Wenn wir über Migration sprechen, kommen wir schnell auf das Thema Integration zu sprechen, also Integration der migrierten Menschen in die „Mehrheitsgesellschaft“. Integration bedeutet für migrierte Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft, in der sie leben. Damit das gelingt, müssen sich alle darum bemühen, also sowohl die sogenannte „Mehrheitsgesellschaft“, als auch die migrierten Menschen.


Gut miteinander leben – integrieren und vernetzen

Es gibt viele Schwierigkeiten beim Zusammenleben. Es gibt z.B. Diskriminierungen und Rassismus, welche Migrant*innen erfahren. Die „Mehrheitsgesellschaft“ heißt Migrant*innen nicht immer willkommen. Das spüren wir in unserem Alltag z.B. beim Bus fahren oder beim Einkaufen. Migrierte Menschen werden nicht automatisch als Teil der Gesellschaft akzeptiert. Darum ist es wichtig, dass sich Migrant*innen zusammenfinden, dass Migrantenselbstorganisationen (MSOs) gegründet wurden und werden.

Das reicht aber nicht aus, denn es gibt noch eine weitere Schwierigkeit und das ist Nationalismus von verschiedenen Migrant*innen selbst, unter verschiedenen Migrant*innengruppen. Bisher sind Migrant*innen oft in ihrer „Community“ geblieben, haben dort ein Stück Heimat gefunden, hatten aber wenig mit migrierten Menschen anderer Communities zu tun.

Wichtig ist es darum, dass die Migrant*innen einen Schritt weiter gehen und sich nicht nur innerhalb ihrer eigenen Community vernetzen, sondern diese Vernetzung muss auch zwischen den Communities stattfinden, um gemeinsame Anliegen zu formulieren und sich gegenseitig zu stärken. So funktioniert Empowerment.


Was bedeutet Empowerment in diesem Kontext konkret?

Empowerment durch Organisation

Indem die Mitglieder einer Community sich organisieren und gemeinsam mit anderen Migrant*innen Ziele aushandeln, bauen sie ihre Stärke aus. Community Organizing kann daher als Ermächtigung im wörtlichen Sinne verstanden werden: Es geht darum, Menschen, die nicht im Besitz gesellschaftlicher Macht sind, zu Durchsetzungschancen in der Gesellschaft zu verhelfen.

Aufbau der Teilhabe

Das funktioniert in drei Schritten

  1. Menschen, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind, identifizieren, diese sammeln und miteinander bekannt machen.  Wichtig sind intensive Gespräche, zunächst mit jedem Einzelnen, mit jedem Interessierten  -> Bedarfe der Gruppen.
  2. Interessierte zusammenführen und gemeinsame Anliegen in Bezug auf Migration und Teilhabe formulieren -> gemeinsame Ziele, Vernetzung.
  3. Definition von unseren Arbeitsschwerpunkten.

KOMMIT als Praxisbeispiel

Ich habe mich entschlossen, mir als großes Ziel meiner Arbeit für LAG Pokubi e.V. die Gründung eines Komitees für Migrantenselbstorganisationen im Landkreis Bautzen zu setzen: KOMMIT.

KOMMIT ist ein Netzwerk verschiedener MSOs und Initiativen, das im März 2019 in Bautzen gegründet wurde. Bei der KOMMIT-Gründung wurde ein Selbstverständnis formuliert, was die Gruppe nach innen hin stärkt und sie nach außen hin, für die Öffentlichkeitsarbeit, sichtbar macht.

KOMMIT bietet eine Plattform für einen regemäßigen Austausch zwischen „alten“ und „neuen“ Migrant*innen. Es versteht sich als starke Stimme aller im Landkreis Bautzen lebender Migrant*innen. KOMMIT setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein und hat das Ziel, mit solidarischer Unterstützung von Menschen aus der „Mehrheitsgesellschaft“, das Zusammenleben der Menschen im Landkreis positiv zu beeinflussen.  KOMMIT bietet seinen Mitgliedern die Möglichkeit zur Vernetzung, zum Wissenstransfer, zum Empowerment und zur gezielten Bearbeitung von Themen, die von Migranten*innen als besonders wichtig erachtet werden. Dazu gehören auch Handlungsstrategien gegen Diskriminierung und Rassismus.

Die Idee von KOMMIT ist es, Migrant*innen deutlich zu machen, dass das Formulieren von Bedürfnissen oder Problemen, das miteinander diskutieren, das gemeinsame Eintreten für den anderen bedeutet, politisch aktiv zu sein.

Was haben wir bisher erreicht?

INNEN

  • Selbstverständnis von KOMMIT
  • Arbeitsweise und Struktur von KOMMIT
  • Aktiver Sprecher*innenrat
  • Arbeitsgruppen und Erstellen einer Webseite https://mso-komitee.de/
  • Regelmäßige KOMMIT-Treffen in anderen Städten im Landkreis

AUSSEN

  • Großes Netzwerktreffen KOMMIT – Für Gerechtigkeit und starke Migrantenorganisationen im Landkreis Bautzen am 09.03.2020 im Gewandhaus Bautzen mit ca. 150 Teilnehmenden
  • Empowerment-Camps für Jugendliche 2019 und 2020 mit Kurzfilmen über Liebe, Freundschaft und Rassismus
  • Empowerment-Workshops für migrantische Eltern im LK Bautzen, Austausch zu allen schulischen Problemen, Belangen und Bedarfen der Kinder.
    Ziel ist es
    den Gedanken und auch Sorgen Raum zu geben.
    Themen und Bedarfe zu bündeln, um sie an wichtige Ansprechpartner weiterzugeben.
  • Am 09.09. und 19.09.2021: Workshop und Podiumsgespräch in Hoyerswerda über die Ereignisse 1991 in Hoyerswerda, in welchen wir als KOMMIT unsere migrantische Perspektive erzählt haben
  • Als Koordinatorin von KOMMIT gemeinsam mit Kooperationspartnern Beteiligung am Podcast https://www.babbeln-on-tour.de/zu-den-podcasts/ im Gespräch mit aktiven Ehrenamtlichen im Landkreis Bautzen aus migrantischer Sicht.

Hamida Taamiri

Dieser Artikel gehört zum Arbeitstisch 1 des Fachtages “Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung” (2021):

Migrantische Selbstorganisation und Migrationssozialarbeit – Über Empowermentprozesse und (neue) Allianzen

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

“Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung” (2021)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net

Online-Fachtag “Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung”
Hamida Taamiri, Projektkoordinatorin bei
POKUBI Sachsen – Projekt „KOMMIT“

Screenshots: LaFaSt


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