Die Werkstatt 26 in Königstein

von Juliane Dietrich, Integrationskoordinatorin der Stadt Königstein, weltbewusst e.V.
und Marlene Strecker, Bereichsleitung Team Flüchtlingsarbeit Diakonie Pirna


1. Entstehungsgeschichte der Werkstatt 26 im Sozialraum der Verwaltungsgemeinschaft Königstein im Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge

Zunächst stellten die Referentinnen die Entstehungsgeschichte der Werkstatt 26 als sozialen und kulturellen Treffpunkt für alle Menschen aus Königstein und Umgebung vor.

Die Werkstatt 26 ist ein Ort, der durch das ehrenamtliche Engagement und die Fähigkeiten und Ressourcen der Menschen, die ihn nutzen, lebt und getragen wird.

Da es keine institutionelle Förderung für diesen Ort gibt, sind es viele Einzelförderungen, die diesen Ort ermöglichen. Im Folgenden werden die Meilensteine (siehe Zeitstrahl nächstes Blatt) kurz erläutert.

2018 wurde die Galerie „Werkstatt 26“ in der Pirnaer Str. 26 in Königstein von Familie Göschel und befreundeten Künstler*innen ins Leben gerufen. Sie gaben Kunstkurse und machten verschiedene Ausstellungen. Aufgrund der räumlichen Distanz (Dresden/ Berlin) suchten sie Ende des Jahres nach Unterstützern bzw. Menschen, die die Galerie übernehmen. Auf der anderen Seite suchte die Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe Königstein nach einem eigenen Ort. Sie wollte ihre Aktivitäten wie z.B. die Erzählcafés, die schon seit 2016 in Königstein stattfanden, an einem eigenen Ort entfalten.

Der Verein weltbewusst e.V. entschloss sich im April 2019 für die AG Flüchtlingshilfe die Werkstatt 26 anzumieten und sie den Aktivitäten der Ehrenamtlichen zur Verfügung zu stellen. In der Galerie finden seit Mai 2019 integrative Buch- und Druckwerkstätten, Bastelkurse, Vorträge, Ausstellungen, Reparaturtreff u.v.m. statt. Die Kleiderstube, die in einer Wohnung im 1. OG der Werkstatt 26 untergebracht wurde, leistet einen Beitrag zur nachhaltigen Lebensführung. Die Finanzierung dieser und anderer ehrenamtlichen Aktivitäten erfolgt durch das Förderprogramm der Integrativen Maßnahmen und in Kooperation mit der Diakonie Pirna und der Stadtverwaltung Königstein.

Vom Mai bis Dezember 2020 wurde eine Projektstelle „Gemeinsam in & für Sachsen: Teilhabe durch kulturelle Belebung“ in der Werkstatt 26 finanziert, so dass die Kurse, Ausstellungen, Vorträge und die Kleiderstube koordiniert werden konnten. Durch das Corona-Förderprogramm des Bundesverbands für Soziokultur konnte diese Projektstelle auch in 2021 weitergeführt werden. Weitere Meilensteine waren die Schaffung eines eigenen Internetauftritts sowie die Einrichtung eines Co-Working-Spaces im 1. OG, so dass Touristen und Selbstständige sich tages- oder monatsweise einen eigenen Büroarbeitsplatz mieten konnten. Zugewanderte erhielten durch den Co-Working-Space unkompliziert und kostenfrei Zugang zu Internet und Technik. Die gemeinsame Nutzung der Arbeitsräume mit den verschiedenen Menschen war für die Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung im Landkreis sehr gewinnbringend.

Schema: Juliane Dietrich und Marlene Strecker


2. Angebote der Werkstatt 26

a) Königskinder Lernsportgruppe: Ferienangebote wie Schwimmen, Ausflüge, Mädchenklettern, Nachhilfe, Legotage

Das Corona Notprogramm des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds förderte das Projekt „Königskinder“, so dass es in den Sommerferien ein buntes Ferienprogramm mit Schwimmen, Ausflügen, Klettern für Mädchen, Nachhilfe und Legotage gab.

b) Reparaturtreff

Der Reparaturtreff fand an jedem letzten Freitag im Monat statt. Einheimische und Zugewanderte kamen mit kaputten Gegenständen – meist Fahrräder, Haushaltsgegenstände und elektronische Kleingeräte – und reparierten diese gemeinsam mit den Ehrenamtlichen. Es wurde damit ein wertvoller Beitrag zur Belebung Königsteins und zur Bildung für nachhaltige Entwicklung geleistet. Bei Schließungen der Werkstatt 26 wurden anstelle des offenen Reparaturtreffs Online-Beratung und Hausbesuche durchgeführt.

C. Kleiderstube

Die Öffnungszeiten der Kleiderstube waren täglich zu den Büroöffnungszeiten sowie dienstags zwischen 16:00 und 18:00 Uhr. Die Kleiderstube wurde in den Zeiten, in denen sie nicht coronabedingt geschlossen war, von ca. 12 Personen pro Woche genutzt. Die Abgabe von Gegenständen wurde zu 80% von Einheimischen und 20% von Zugewanderten vorgenommen. Die Nutzung der gebrauchten Gegenstände erfolgte zu 80% durch die Zugewanderten und zu 20% durch die Einheimischen.

d) Offener Garten und Hochbeetpatenschaft

Die Hochbeetpatenschaft entstand durch den Wunsch einer zugewanderten Familie selbst Gemüse anzubauen. Sie bauten im Hinterhof der Werkstatt 26 ein Hochbeet mit Unterstützung der Kommunalen Integrationskoordinatorin, bepflanzten dieses und fühlen sich dafür verantwortlich. Diese Patenschaft ist ein schönes Beispiel dafür, sich mit dem Ort zu identifizieren und sich mit seinen eigenen Fähigkeiten und Interessen einzubringen.

e) Ausstellungen

(Schaufenster-)Ausstellungen haben das Stadtbild in Königstein bereichert und belebt. Insbesondere die Ausstellung der Kinder zu ihren Wünschen für die Welt und eine gemeinsame Ausstellung mit den Hortkindern verstärkte ihre Identifikation mit der Werkstatt 26 und die Sichtbarkeit der jungen Menschen im Stadtbild. Selbstverständlich waren auch zugewanderte Kinder unter den jungen Künstler*innen.

f) Reisevorträge

In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule fanden diverse Reisevorträge statt, die insbesondere ältere Menschen, berufstätige Menschen und Eltern angesprochen haben. Sie wurden online übertragen, so dass viele Menschen, die an anderen Orten wohnen, daran teilnehmen konnten.

g) Kunstworkshop – Kinderbuch- und Druckwerkstatt, Keramikwerkstatt

Künstlerisches Schaffen stärkt die Ausdrucksfähigkeit (junger) Menschen und gibt die Möglichkeit zur Verarbeitung von Erlebnissen. Die Werkstatt 26 ist ein Ort von vielen verschiedenen Kunst- und Kreativkursen, an denen deutsche und geflüchtete Kinder und Erwachsene teilnehmen. Ihre Lage (schräg gegenüber vom Hort, Stadtzentrum) ist ideal für die Zusammenarbeit mit dem Hort.

h) Deutschkurs „Alltag und Kultur“ in der Region

Zugewanderte haben insbesondere den Bedarf an Deutsch-Nachhilfe. Oft haben die Sprachkurse lange Wartezeiten oder sie haben keinen Zugang dazu. In der Werkstatt 26 fand der Kurs „Alltag und Kultur“ in der Region statt, in dem neben den Deutschkenntnissen alltägliche Probleme der Zugewanderten besprochen wurden. Da aus Coronagründen dieser Kurs nicht fortgesetzt werden konnte, fand bei Hausbesuchen Deutsch-Nachhilfe statt.

i) PC- und Smartphonekurse

Diese fanden in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule statt und richteten sich insbesondere an die älteren Generationen.

j) Chancenpatenschaften

Dieses Programm richtet sich an Kinder aus finanziell schwachen Familien. Diese sollen Patenschaften mit anderen Kindern eingehen und kleine Projekte durchführen. Im Projekt „Chancenpatenschaften“ wurden fünf Patenschaften zwischen zugewanderten und deutschen Kindern geschlossen. Hiermit wurde insbesondere die Teilnahme der Kinder an den „Sandsteinkindern“ auf dem Kulm ermöglicht. Die Sandsteinkinder haben sich jeden Mittwoch nachmittag getroffen und die dort ansässige Pädagogin hat mit ihnen erlebnispädagogisch im Wald gearbeitet.


3. Knackpunkte – entscheidende Stellschrauben

3.1. Miete

Die Etablierung der Werkstatt 26 als kontinuierlichen offenen sozialen und kulturellen Treffpunkt ist eine große Herausforderung, insbesondere da der Verein weltbewusst e.V. klein ist und erst seit 2017 existiert.

Für die Finanzierung der Miete war also die Einwerbung von Projektmitteln extrem wichtig. Dies konnte durch die Arbeit der Integrationskoordinatorin, der Ehrenamtlichen und des Vorstands von weltbewusst e.V. gewährleistet werden.

3.2. Personal: Ehrenamtliche, Honorarkräfte und Hauptamtliche

Die Werkstatt 26 lebt von dem Engagement, den Interessen und der Ressourcen der Menschen, die sie nutzen. Die Kleiderstube, der Reparaturtreff, die vielen Kreativ- und Kunstangebote werden zum Teil ehrenamtlich und zum Teil mit Honorarkräften ermöglicht. Durch die zeitweilige Finanzierung einer Koordination der Werkstatt 26, die Unterstützung durch die Kommunale Integrationskoordinatorin, die AG Flüchtlingshilfe die wöchentlichen Teamsitzungen und die Arbeitsgemeinschaft 26 konnte das vielseitige Angebot und die Öffentlichkeitsarbeit stetig umgesetzt werden.

3.3. Etablierung der FSA Beratung im Co-Working-Space der W26

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Etablierung der Beratungsstelle der Flüchtlingssozialarbeit im Co-Working-Space der Werkstatt 26. Da auch die Kommunale Integrationskoordination dort einen Arbeitsplatz hat, haben die Zugewanderten einen festen Anlaufpunkt in Königstein.

3.4. Zusammenarbeit mit Akteuren (Jugendring, Festung Königstein, Stadtverwaltung, LRA, weltbewusst e.V., Diakonie Pirna)

Die Werkstatt 26 verfügt durch die Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen über ein großes Netzwerk mit sehr stetigen und verlässlichen Partner*ìnnen, wie der Diakonie Pirna, Festung Königstein, der Stadtverwaltung Königstein, dem Landratsamt, dem Jugendring u.v.m.

3.5. Leitbild W26 für inhaltliche Ausrichtung

Die gemeinsamen Werte sind im Leitbild der Werkstatt 26 (siehe Anhang) niedergeschrieben und werden durch die Art und Weise der täglichen Zusammenarbeit gestärkt. Sie sind Inspiration und Richtschnur für das Team, in der Arbeit die richtigen Entscheidungen zu treffen.

3.6. Visionen für die Werkstatt 26

Mit der Etablierung der Werkstatt 26 haben wir uns mit den Fragen auseinandergesetzt: Wie wollen wir nach außen wirken? Wer sind unsere Adressaten? Was wollen wir? Wo soll es hingehen?

Dabei ist der Wunsch laut geworden – wir wollen:

  • Ein „Hipper Laden“, ein Anziehungspunkt in Königstein sein – der sich rumspricht
  • Künstler*innen als Akteur*innen, Unterstützer*innen und Interessierte dabeihaben
  • einen Coworkingspace – weltRAUM schaffen, der gemeinsam mit dem 4lionsHostel Workation anbietet
  • eine Ferienwohnung ausbauen und anbieten
  • einen mobilen Dorfladen anbieten
  • ein Mitmach-Café ausbauen
  • ein Ort der Integration sein

ein Ort der Demokratie sein: eine Plattform für ALLE schaffen, die sich im Rahmen des Grundgesetzes respektvoll und auf Augenhöhe austauschen können. Dabei ist uns das Aushalten anderer Meinungen sehr wichtig – das bedeutet für uns u.a. Demokratie. Wir möchten nicht, dass wir einer politischen Richtung oder Gruppe zugeordnet und somit stigmatisiert werden.


Juliane Dietrich und Marlene Strecker

Dieser Artikel gehört zum Arbeitstisch 3 des Fachtages “Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung” (2021):

Wo bleiben die geflüchteten Menschen – Angebote sozialräumlicher Integration

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

“Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung” (2021)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net

Online-Fachtag “Vom Ankommen und Bleiben – Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zwischen Innovation und Verstetigung”
Juliane Dietrich, Integrationskoordinatorin der Stadt Königstein, weltbewusst e.V.
Marlene Strecker, Bereichsleitung Team Flüchtlingsarbeit Diakonie Pirna

Screenshots: LaFaSt


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