Projekt: Frauengesundheitsprojekt MEDEA International des FMGZ MEDEA e.V.

von Gabriela Nickl, Sozialarbeiterin bei MEDEA International, Frauen und Mädchengesundheitszentrum MEDEA e.V.


Das Frauengesundheitsprojekt arbeitet seit seiner Eröffnung im Mai 2016 in einer Außenstelle des FMGZ MEDEA e.V. in Gorbitz. Es startete als Projekt zur Gesundheitsförderung asylsuchender Frauen und hat aufgrund der aktuellen Umstände sowie der Erfahrungen aus der Arbeit der Anfangsjahre seine Zielgruppe auf Frauen mit Migrationserfahrung erweitert. Die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team aus Psychologin, Sozialarbeiterin und Mitarbeiterin mit Migrationserfahrung (Wirtschaftswissenschaftlerin ohne anerkannten Berufsabschluss in Deutschland) hat sich zur Umsetzung der Ziele bewährt. Das Angebot des Projektes umfasst psychologische und psychosoziale Beratungen, Beratungen und Workshops zu Verhütung und Familienplanung, Frauengesundheitsthemen wie Wechseljahre, Menstruation, bewusste Ernährung, Stressbewältigung, Patientinnenrecht, und Orientierung im deutschen Gesundheitssystem. Neben den Frauen mit Migrationserfahrung stellen Fachkräfte und Multiplikator*innen aus dem Gesundheits-, Sozial-, Bildungs- und Erziehungssystem eine weitere wichtige Zielgruppe dar. Die Ziele des Projektes sind zum einen die Verbesserung der individuellen gesundheitlichen Situation von Frauen und Mädchen mit Migrationserfahrung sowie die Verbesserung der gesundheitsrelevanten Rahmenbedingungen für Frauen mit Migrationserfahrung. Die Grundprinzipien der Arbeit des FMGZ MEDEA und der Außenstelle in Gorbitz sind u. a. Hilfe zur Selbsthilfe, die Bereitstellung von geschützten Räumen für Mädchen und Frauen, Angebote von Frauen für Frauen, Empowerment für Frauen, Partizipation, Freiwilligkeit und Nachhaltigkeit und die Arbeit nach einem ressourcenorientiertem Ansatz.

Aus der Beschreibung der Arbeit des Projektes wird sichtbar, dass es sich nicht um ein klassisches Angebot des Regeldienstes der Sozialen Arbeit handelt, weil die Zielgruppe der Frauen mit Migrationserfahrung doch relativ eingeschränkt ist. Demnach versteht sich das Projekt auch nur am Rand als „Integrationsort – wenn damit Integration in den Regeldienst gemeint ist“. Mit seinen Zielgruppen und seinen Ansätzen kann es eher als Brücke zwischen der Flüchtlingssozialarbeit und den Regeldiensten gesehen werden.

Die Zielgruppen und die Grundprinzipien der Arbeit des Projektes sind Chancen und Herausforderungen zugleich. Die Bereitstellung von geschützten Räumen für Frauen steht einer breiten Öffentlichkeitsarbeit entgegen und die geschlechtsspezifische Arbeit schränkt die Zugangswege zu den Adressatinnen, z. B. über Familienangebote ein. Die Zielgruppe ist außerdem kaum über sonst genutzte Medien, wie die Homepage des FMGZ MEDEA e.V., über Schaukästen oder Flyer (ohne Anbindung an das Angebot) erreichbar. Diese Herausforderungen waren vor Beginn der Arbeit bekannt und haben sich in den Anfangsjahren bestätigt. Um das Angebot bekannt zu machen und den Adressatinnen den Zugang zu den relativ hochschwelligen Beratungsangeboten zu ermöglichen und erleichtern, wurden von Anfang an andere Angebotsformen entwickelt und einbezogen.

Es wurden Kooperationen mit Angeboten und Projekten aus dem Stadtteil und den Projekten, die mit der Zielgruppe arbeiten, aufgenommen und/oder erweitert (Fotos Standort Projekt außen und Projekt / Seminarraum).

Der Zugang zu den Adressatinnen wird und wurde über niedrigschwellige Angebote des Projektes zum Kennenlernen und zum Vertrauensaufbau erreicht. Diese niedrigschwelligen Angebote orientieren sich am Lebensalltag der Frauen und sind z. B. Deutschkurse von Frauen für Frauen mit Kinderbetreuung (am Anfang ein Novum in Dresden), ein wöchentlich stattfindendes Frauenfrühstück oder Beratung und Unterstützung bei Behördenschreiben. Sie dienen dem Vertrauensaufbau und sind bei der Vermittlung in weiterführende Beratungen/Angebote im Projekt oder außerhalb sehr hilfreich. Durch die Mitarbeit einer Kollegin mit Migrationserfahrung seit 09/2018 hat sich die Anzahl der Adressatinnen, vor allem aus diesem Sprachraum, wesentlich erweitert. Damit haben sich die Zugänge wesentlich vereinfacht, es wurden verschiedene Chatgruppen über Telegram eingerichtet und Frauen auf diesem Weg mit Informationen in einfacher Sprache oder auch mit Sprachnachrichten (bei Analphabetinnen) versorgt. Diese Informationswege haben sich vor allem in den Zeiten der Corona-Einschränkungen bewährt. Viele der niedrigschwelligen Angebote werden durch ehrenamtliche Unterstützerinnen durchgeführt. Die meisten Unterstützerinnen haben selbst eine Migrationserfahrung und bereichern das Projekt mit ihrer Arbeit und mit ihren Erfahrungen. Sie haben ihre Netzwerke und können Informationen des Projektes an ihre Communities weiter geben und so den Kreis der erreichten Zielgruppe erweitern (Foto ABC-Tisch).

Das Projekt war seit seinem Start 2016 bei Veranstaltungen und Straßenfesten im Stadtgebiet (Westhangfest, Sanddornstraßenfest) vertreten und hat u. a. diese Möglichkeiten genutzt, mit Frauen in Kontakt zu kommen. Vom Projekt wurden soziokulturelle Veranstaltungen für Frauen im Stadtgebiet geplant und organisiert, wie z. B. die jährlich stattfindende Frauentagsfeier im Club Passage (mit zuletzt 85 Teilnehmerinnen aus Gorbitz und ganz Dresden) oder eine Filmveranstaltung im Club Passage (iranischer OF mit dt. Untertiteln) und anschließender Diskussion zur Rolle der Frau im Iran und in Deutschland (Foto Frauentagsfeier im Club Passage).

Der Zugang kann neben den niedrigschwelligen Angeboten auch durch Vermittlungen von Kooperationspartner*innen und Multiplikator*innen aus anderen Angeboten der Sozialen Arbeit, dem PSZ, der internationalen Praxis, Schwangerschaftsberatungsstellen, Ärzt*innen, Familienhelfer*innen und Migrationssozialarbeiter*innen erleichtert werden. Über diese Vermittlungen können Frauen mit Migrationserfahrung entsprechend ihrer Bedarfe in die verschiedenen Angebote des Frauengesundheitsprojektes integriert werden. In den Anfangsjahren gab es sehr viele und erfolgreiche Anbindungen der Adressatinnen über die FSA, wobei sich eine persönliche Begleitung durch eine Flüchtlingssozialarbeiterin besonders bewährt hatte. Nach den Umstrukturierungen der FSA sind diese Vermittlungen über die Migrationssozialarbeiter*innen seltener geworden.

Die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner*innen ist von großer Bedeutung, sie erleichtern die Arbeit, geben Raum für neue Erfahrungen und schaffen neue Zugangswege. Die Workshops des Frauengesundheitsprojektes werden je nach Bedarf auch in den Einrichtungen der Kooperationspartner*innen durchgeführt und somit bereits bestehende Zugangswege der jeweiligen Kooperationspartner*innen genutzt. Besonders bewährt hat sich die Zusammenarbeit mit den bestehenden Frauenprojekten in Dresden, wie z. B. dem Frauentreff des Ausländerrates, der Frauengruppe des Afropa e. V., dem Frauenzentrum *sowieso* und anderen. Im Stadtgebiet Gorbitz ist besonders die Zusammenarbeit mit dem Familientreff Puzzle des Omse e. V. hervorzuheben. In diesem Rahmen wurden mittlerweile drei Fahrradkurse für Frauen mit Migrationserfahrung in Gorbitz organisiert und durchgeführt. Die dazugehörige Abschlussveranstaltung findet in den Räumen des Familientreffs statt und ist somit für die Frauen eine niedrigschwellige Möglichkeit, andere Orte und Räume in Gorbitz kennenzulernen und deren Angebote zu nutzen.

Aus Kapazitätsgründen wird an dieser Stelle nur knapp auf die Angebote für Fachkräfte und Multiplikator*innen zur Verbesserung der gesundheitsrelevanten Rahmenbedingungen für Frauen mit Migrationserfahrung, wie z. B. die Organisation und Ausrichtung von Fachveranstaltungen zum Thema weibliche Genitalverstümmelung oder die Gründung einer sachsenweiten Arbeitsgruppe zur Gesundheitsförderung von Frauen mit Migrationserfahrung verwiesen.


Gabriela Nickl

medea-dresden.de

Dieser Artikel gehört zum Arbeitstisch 1 des Fachtages Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen (2020):

Integration von Geflüchteten durch Angebote von Regeldiensten der Sozialen Arbeit und welche Rolle die FSA dabei spielen kann

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen” (2020)

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Fotos: MEDEA International,
Frauen und Mädchengesundheitszentrum MEDEA e.V.


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