Erfolg in der Sozialen Arbeit

von Marianne Sand und Margit Lehr, wissenschaftliche Begleitung der FSA in Sachsen, ehs


Das Erleben von Erfolg ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Zufriedenheit in Bezug auf die eigene Arbeit geht. Diese Zufriedenheit wiederum ist ein nicht zu unterschätzender Schutzfaktor vor dem Ausbrennen / Burnout und der damit verbundenen hohen Fluktuation im Arbeitsfeld.

Speziell in der Sozialen Arbeit stellt sich immer wieder die Frage, wie erfolgreiches Arbeiten definiert werden kann.

Generell wird unter Erfolg verstanden, dass Ergebnisse menschlicher Anstrengung sichtbar werden[1], wenn beispielsweise ein Produkt vorliegt, etwas entstanden ist oder ein Handeln erwünschte Auswirkungen hatte.

Was Erfolg in einem spezifischen Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit ist oder sein soll, müssen die beteiligten Akteure untereinander aushandeln, wobei jeder Akteur seine eigenen Kriterien einbringt. Damit ist das Verständnis von Erfolg bzw. sind die nötigen Bewertungsmaßstäbe eine Konstruktion aus den unterschiedlichen Zielen und Interessen der verschiedenen Beteiligten[2]. Diese Aushandlung wird schwieriger, je mehr Akteure beteiligt sind. Problematisch ist außerdem, dass die eingebrachten Interessen der Beteiligten sich widersprechen können, wobei Interessen der mächtigeren Interessensträger*innen mehr einbezogen werden und damit mehr Einfluss auf die Erfolgsdefinition haben können[3].

Am Beispiel der Flüchtlingssozialarbeit sollen diese verschiedenen Interessen in folgendem Schema verdeutlicht werden:

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Boecker 2015, S. 55.

Die FSA steht wie veranschaulicht unter dem Erwartungsdruck:

a) der Klient*innen – in ihrer Rolle als Auftraggebende erwarten sie parteiische Unterstützung und das Erreichen einer Verbesserung ihrer Situation mithilfe der FSA,

b) der Geldgeber*innen – in ihrer Rolle als Auftraggebende erwarten sie möglichst kostengünstige und erfolgreiche Arbeit der FSA,

c) der Politik – die FSA soll dafür sorgen, dass der soziale Frieden gewahrt wird,

d) der Öffentlichkeit – auch hier soll die FSA dafür sorgen, dass die angekommenen Geflüchteten „keine Probleme machen“ und gut integriert werden,

e) der professionellen Interessen der sozialen Arbeit und dem Berufsethos – laut diesen müssen die Klient*innen in ihrer Individualität respektiert und empowert werden.

In dieser Aufstellung wird deutlich, welch ein enormer und in sich widersprüchlicher Erwartungsdruck auf der Sozialen Arbeit, insbesondere der FSA lastet. Ebenso wird deutlich, dass nicht alle Erwartungen erfüllt werden können, denn es ist unmöglich, aus allen Perspektiven erfolgreich zu arbeiten!

Die unterschiedlichen Interessen bedeuten auch jeweils unterschiedliche Logiken, die der Bewertung von Effizienz, Effektivität, Qualität und damit von Erfolg zugrunde liegen[4].

Die Perspektive und Handlungslogik professioneller Sozialer Arbeit unterscheidet sich von den neosozialen[5] Vorstellungen und Vorgaben für Soziale Arbeit[6], die sich in der Sozialpolitik niederschlagen[7] und sich damit im Handeln der öffentlichen Träger Sozialer Arbeit, von Ämtern und Behörden wiederfinden.

Im Folgenden sollen beide Handlungslogiken – die neosoziale sowie die professionelle sozialarbeiterische Handlungslogik – bewusst überspitzt dargestellt werden. Die Zuspitzung stellt vorhandene Kontraste mehr heraus und erlaubt mit dem Blick auf die konkreten Unterschiede, Auswirkungen auf die Erfolgswahrnehmung Sozialarbeitender abzuleiten.


Die neosoziale Perspektive auf Sozialen Arbeit

In der neosozialen Logik soll Soziale Arbeit Menschen dazu bringen, ihre Rollen in der Gesellschaft zu erfüllen[8]. Veranschaulichend könnten arbeits- oder wohnungslos gewordene Menschen genannt werden, denen Soziale Arbeit möglichst schnell wieder dazu verhelfen soll, in Arbeit zu kommen und keine staatlichen Unterstützungsleistungen mehr in Anspruch zu nehmen. Ein anderes Beispiel für die Soziale Arbeit als bloße Ausführende staatlicher Erwartungen wäre auch der von Albert Scherr in der Keynote dieses Fachtages angesprochener Auftrag, im Grunde Desintegration zu betreiben, indem Flüchtlingssozialarbeit die Abschiebbarkeit der Klient*innen herstellen soll.

Mechthild Seithe beschreibt, dass sich die Zielperspektive Sozialer Arbeit in dieser Handlungslogik nach dem Nützlichkeits- oder Effizienzprinzip ausrichtet[9]:

  • Soziale Arbeit soll möglichst schnell und kostengünstig die gestellten Ziele erreichen[10],
  • hre Adressat*innen erhalten (staatliche) Leistungen nur bei festgelegter Gegenleistung d.h. wenn sie die (staatlichen) Aktivierungsangebote annehmen[11].

Das kann also bedeuten, dass Arbeitsbedingungen und Wege zur Zielerreichung im neosozialen Handeln nicht fachlich abgeleitet würden, sondern nach Haushaltslage festgelegt werden[12] (beispielsweise bezüglich finanzierter Stellen oder angebotener Maßnahmen).


Die neosoziale Betrachtung von Erfolg in der Sozialen Arbeit

Erfolg in der (Sozialen) Arbeit lässt sich in drei verschiedenen Kategorien betrachten und bewerten:

  • hinsichtlich der Strukturen
  • hinsichtlich der Prozesse und
  • hinsichtlich der Ergebnisse.

Diese drei Bewertungsebenen sollen im Folgenden jeweils aus Sichtweise der neosozialen Logik sowie aus der professionellen sozialarbeiterischen Perspektive heraus dargestellt werden.

Die strukturellen Bedingungen Sozialer Arbeit beziehen sich auf die notwendigen Ressourcen und Rahmenbedingungen, wie z.B. die Ausbildung des Personals, Kontinuität der Beschäftigungsverhältnisse, die Ausstattung sowie zur Verfügung stehende Zeiteinheiten für den Umfang der Tätigkeiten.

Seithe schreibt, in der neosozialen Logik sollten möglichst schnell Ergebnisse vorliegen. Deshalb wird vorrangig auf Fallmanagement gesetzt. Es werden festgelegte Zeitpläne ausgegeben oder erwartet und Stundensätze und Budgets bestimmt, die aus fachlicher Sicht oft nicht ausreichend sind[13].

Tatsache ist, dass die Rahmenbedingungen von öffentlichen Trägern definiert und als gut benannt, werden. Die Festlegung erfolgt je nach den finanziellen Möglichkeiten, je nach „Kassenlage“[14] und kann von den fachlichen Vorstellungen erheblich differieren: ein Beispiel dafür wäre der Betreuungsschlüssel in der FSA, der von einigen Öffentlichen Trägern mit 1:100 als „gut“ klassifiziert wird, während sich die Fachkräfte einen Schlüssel von ca. 1:60 wünschen[15].

Die Beurteilung von Prozessen erfolgt in der neosozialen Logik vor allem hinsichtlich der Effizienz. So geht es nach Seithe um die Nützlichkeit der Adressat*innen Sozialer Arbeit, sie sollen beispielsweise möglichst schnell in entlohnte Arbeit kommen.  Prozesse bestehen in diesem Kontext vor allem aus dem Austeilen von Rezepten, Ratschlägen und Anweisungen, deren Umsetzung unter Einsatz von Kontrolle, Druck und Sanktionen forciert wird[16].

Die Beurteilung der Ergebnisqualität ist schließlich die Betrachtung der Wirkung der Arbeit. Generell stellt sich hier immer wieder die Frage der Messbarkeit.

In der neosozialen Logik, so Seithe, gilt deshalb vor allem die Umsetzung der o.g. Leistungsvereinbarung als nachgewiesene Wirkung. Hier werden Ergebnisse auf dem Weg zum Ziel nicht anerkannt und die Arbeit gilt als Misserfolg, wenn das große gesetzte Ziel nicht erreicht wurde[17].


Die sozialarbeiterische Perspektive auf erfolgreiches Arbeiten

Die so beschriebene neosoziale Sichtweise auf Erfolg kann auf Soziale Arbeit schlecht angewendet werden, denn Soziale Arbeit erstellt keine Produkte, es gibt wenig nachweisbare oder quantifizierbare Ergebnisse der Arbeit und die Arbeitspraxis ist kaum standardisierbar. Erfolge bleiben unsichtbar oder werden übersehen, auch und gerade weil unverzichtbare Kernelemente Sozialer Arbeit, wie Kommunikation, Subjektorientierung, Handlungsorientierung oder auch Alltagsorientierung wenig Berücksichtigung erfahren[18].

Daher braucht es eine andere Perspektive auf Erfolg, die mit einem realistischen Verständnis von Sozialer Arbeit korrespondiert. Diese lässt sich in verschiedenen Professions- und Handlungstheorien Sozialer Arbeit finden. Ein prominentes Beispiel stellt das Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch dar, welches darauf abzielt, Menschen bei der Bewältigung ihres Lebens zu unterstützen, damit sie (wieder) Regisseure ihres eigenen Lebens werden. Soziale Arbeit greift dann ein, wenn Menschen mit der Bewältigung ihrer Angelegenheiten nicht mehr zu Rande kommen. Ein wesentliches Merkmal der Lebensweltorientierung ist die stark ausgeprägte Partizipation der Klient*innen. Ihre Deutungsmuster und ihr Repertoire an Wegen der Problembewältigung werden gesehen und ernst genommen. Ausgehend davon können über interaktive Aushandlungsprozesse von Betroffenen und Sozialarbeiter*innen gemeinsam Wege für eine Verbesserung der Verhältnisse der Einzelnen gefunden werden. Den Kontrast zur zuvor benannten neosozialen Logik kann man folgendermaßen zusammenfassen: Soziale Arbeit hat primär ihre Klient*innen im Blick und hilft ihnen bei der Bewältigung der Probleme, die sie für sich haben. Sie wird nicht aktiv um die Gesellschaft in den Problemen, die diese mit den Menschen hat, zu unterstützen.

Was heißt es also aus sozialarbeiterischer Perspektive, erfolgreich zu arbeiten? Wie zuvor werden nacheinander die drei eingeführten Dimensionen Strukturen, Prozesse und Ergebnisse beleuchtet.

Gute Strukturen sind eine notwendige Voraussetzung, um auf der Ebene der Ergebnisse und Arbeitsprozesse erfolgreich arbeiten zu können[19].

Allgemeine Eckpfeiler guter Rahmenbedingungen sind eine passende personelle Ausstattung bzw. ein angemessener Betreuungsschlüssel/angemessene Fallzahlen sowie ein realisierbares Aufgabenspektrum. Mit Blick auf die Klient*innen braucht es zudem z.B. einen niedrigschwelligen Zugang zur jeweiligen Einrichtung, passende Öffnungs- und Arbeitszeiten, eine ansprechende Atmosphäre der Räume. Im Falle der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten könnte die Aufzählung durch eine Möglichkeit der Sprachmittlung ergänzt werden. Im Team braucht es u.a. Raum und Zeit für Austausch. Dazu zählen einerseits der fachliche Austausch zur praktischen Arbeit (z.B. in Form von kollegialer Fallberatung, Informationsaustausch etc.) und andererseits das konzeptionelle Arbeiten (also das gemeinsame Entwickeln von bspw. Standpunkten, Menschenbild, Zielkatalog, Methodeninventar). Auch die Wertschätzung durch Vorgesetzte und deren spürbare Unterstützung ist ein wesentlicher Teil der soliden Strukturen, auf deren Grundlage erfolgreich agiert werden kann. Zuletzt gilt für Soziale Arbeit im Allgemeinen und Soziale Arbeit mit Geflüchteten im Speziellen: Soziale Arbeit braucht Netzwerke! Es gibt eine Reihe externer Kooperationspartner (anderer Dienste, Behörden usw.), mit denen im Sinne der Klient*innen kooperiert und sich auseinandergesetzt werden muss[20]. Am letzten Punkt wird deutlich, dass Strukturen mitunter auch Spuren erfolgreichen Arbeitens tragen, da Netzwerke aufgebaut und gepflegt werden müssen. Erfolg kann auch daran gemessen werden, wie gut ein Netzwerk im Interesse der Klient*innen aufgebaut und wie gut dort deren Interessen durchgesetzt werden können.

Die Gestaltung des sozialarbeiterischen Prozesses zeigt, ob es gelingt, fachliches Wissen in praktisches Handeln zu übersetzen. Im Gegensatz zu anderen Professionen und auch der oben dargestellten neosozialen Logik gilt für die Soziale Arbeit das Prinzip der Methodenoffenheit. Das heißt, dass es in der Regel nicht möglich ist, ein bestimmtes Schema mit festgelegten Methoden ablaufen zu lassen. Stattdessen sind Ziele, Rahmenbedingungen und natürlich die Klient*innen maßgebend für die Wahl der Methode[21]. Um passende Ziele und Methoden zu finden, bedarf es einer gelingenden Verständigung zwischen Fachkräften und Adressat*innen. Folgerichtig definieren Herriger und Kähler „Beziehungsqualität“ als Maßstab von prozessorientiertem Erfolg. Mit Blick auf Klient*innen ist es Erfolg, wenn es „im Verlauf von Beratungs-, Begleitungs- und Betreuungsprozessen gelingt, eine produktive und vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Klienten aufzubauen und aufrecht zu erhalten“[22]. Auf dieser Basis können Menschen motiviert und aktiviert, Lernprozesse initiiert, Lösungen ausgehandelt, Veränderungen angestoßen werden[23].

Ein arbeitsfähiges Vertrauensverhältnis geschaffen zu haben ist gerade bei der Zielgruppe der Geflüchteten als großer Erfolg zu würdigen und zu werten. Dessen Entstehen können auf Seite der Klient*innen potentiell traumatisierende Erfahrungen im Herkunftsland, auf der Flucht sowie im Aufnahmeland, unbekannte Strukturen, unbekannte Arbeitsfelder[24] und die häufig bestehende Sprachbarriere im Wege stehen.

Konkretere Indikatoren für erfolgreiche Arbeitsprozesse aus Perspektive der Fachkräfte sind beispielsweise:

  • Das was ich anbiete, wird angenommen und angefragt,
  • ich bin ausgelastet,
  • ich kann ein Klima herstellen, das für eine Zusammenarbeit mit den Klient*innen förderlich ist,
  • Klient*innen treten mir gegenüber offen und authentisch auf,
  • ich kann mich darauf verlassen, dass Klient*innen vereinbarte Termine wahrnehmen,
  • Klient*innen haben Vertrauen in meine berufliche Kompetenz und sind zu einer produktiven Mitarbeit bereit[25].

Die Beispiele lassen unschwer erahnen, dass erfolgreiches Arbeiten auf der Prozessebene mit gängigen Messmethoden schwer zu belegen ist. Es gibt einzelne quantifizierbare Aspekte wie die Zahl oder Dauer der Gespräche. Ein Messen von Prozessen nach diesen Gesichtspunkten beraubt diese jedoch ihres sozialarbeiterischen Inhalts[26].

Sozialarbeiter*innen erleben ihr Tätigwerden oft dort als erfolgreich, wo durch die sozialarbeiterische Intervention bei Klient*innen sichtbare Spuren der dauerhaften Verbesserung von Lebensqualität zu erkennen sind, mit anderen Worten positive Ergebnisse[27].

Herriger/Kähler zeigen drei Maßstäbe auf, an denen sich klientenbezogener Erfolg messen lässt. Infolge oder durch sozialarbeiterische Intervention werden Fortschritte in einer oder mehrerer dieser Kategorien erzielt:

  • Gelingendes Problemmanagement – Lebensbelastungen, schwierige Situationen werden durch Klient*innen ohne Rückgriff auf Hilfe durch Soziale Arbeit bewältigt.
  • Stabilisierung der Lebenslage – Die ökonomische Teilhabe, Beziehungsqualität und psychische Befindlichkeit der Klient*innen bessern und stabilisieren sich nachhaltig.
  • Persönlichkeitsentwicklung – Die Erfahrung von Selbstwert, das Vertrauen in eigene Lebenskompetenzen der Klient*innen wurden gestärkt, eine vertiefte Selbst- und Beziehungswahrnehmung wurde erreicht[28].

Soziale Arbeit mit Geflüchteten stellt hier einen Sonderfall dar. Denn wie kann eine Verbesserung der Lebensqualität angesichts der umfassenden rechtlichen Restriktionen, denen vor allem Asylsuchende und geduldete Menschen ausgesetzt sind, aussehen? Wie kann eine Stabilisierung der Lebenslage angesichts einer unsicheren Bleibeperspektive angestrebt werden? Eine längerfristige Planung ist oft nicht möglich.

Dies bedeutet nicht, dass Soziale Arbeit mit Geflüchteten nicht erfolgreich sein kann. Erfolg ist immer auch abhängig von den Bedingungen und Fähigkeiten der Klient*innen, deren Vorstellungen und Lebenserfahrungen einbezogen werden müssen, wenn Ziele und der Weg dorthin entwickelt werden[29]. Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse einschränkend und eng sind, bleibt wenig Spielraum, vor allem bleibt wenig Raum für große Ergebnisse. Doch Erfolg sind auch kleine Schritte, Teilschritte und kleine Veränderungen, gewissermaßen alles, was in Richtung der Ziele geht, nicht zuletzt die Akzeptanz von Klient*innen für das Ziel[30]. Mit Hinblick auf „Erfolgsergebnisse“ ist es einerseits notwendig, Ziele entsprechend der Möglichkeiten und Voraussetzungen zu entwickeln[31] und sich andererseits „auf kleine, aber machbare Aufgaben von Tag zu Tag zu konzentrieren“[32] [33].

Aus fachlicher Sicht zeichnet sich Soziale Arbeit dadurch aus, dass sie „ergebnisoffen“ arbeitet. Im Gegensatz zur zuvor beschriebenen neosozialen Logik kann und darf es keine Vorabdefinition von Zielen und erwünschten Ergebnissen geben. Diese werden im Laufe des Hilfeprozesses gemeinsam mit Klient*innen ausgehandelt und entwickelt[34]. Ergebnisoffen heißt nicht ergebnislos, Ziele und Ergebnisse sind Teil  professionellen Handelns. Dennoch ist es wichtig, gerade die Bedeutung von Ergebnissen zu relativieren und deren Anerkennung richtig zu adressieren. Da soziale Phänomene komplexen Einflussfaktoren unterliegen, sind Ursache und Wirkung nicht vollständig erfassbar bzw. nachweisbar[35]. Außerdem setzen Zustandsänderungen oft zeitlich versetzt ein. Da Soziale Arbeit in der Regel Menschen nur auf einem kurzen Stück Lebensweg begleitet, bleiben längerfristige Lebensveränderungen für die Fachkräfte unsichtbar[36]. Ein vorläufiges Ausbleiben sichtbarer Fortschritte bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Intervention erfolglos war. Auch können sich Wirksamkeit und Erfolg unterscheiden. Wird beispielsweise der Umzug eines*r Klient*in in eine eigene Wohnung als Ziel verfolgt, so lässt der Umzug an sich lediglich Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Intervention zu. Ob es sich um eine erfolgreiche Intervention handelt, wird durch andere Faktoren deutlich, unter anderem daran, wie es dem*r Klienten*in in der neuen Umgebung geht. Drohen Vereinsamung, Isolation und so weiter, so kann der Umzug nicht als Erfolg verbucht werden[37].

Letztlich ist es mit Blick auf den Erfolg für Fachkräfte wichtig, die eigene Rolle zu reflektieren, die Verantwortung an Klient*innen abzugeben bzw. bei ihnen zu belassen. Auch positive Lebensveränderungen sollten in erster Linie als persönliche Erfolge der Klient*innen gewertet werden, deren Mut, Kraft und Beharrlichkeit letztlich entscheidend sind[38].


Fazit: Erfolg ist Definitionssache!

„Wenn sie [die Soziale Arbeit] gut gemacht wird, fällt sie nicht weiter auf, nur wenn sie versagt, macht sie sich – allerdings negativ – bemerkbar“[39].

Mit diesem Zitat bringen es Herriger und Kähler auf den Punkt: Erfolgreiches Arbeiten in der Sozialen Arbeit ist nach außen hin schwer nachweisbar. Das gilt natürlich vor allem dann, wenn professionsfremde Maßstäbe angelegt werden. Daher plädieren wir dafür, für die Erfolgsbeurteilung von Sozialer Arbeit mit der sozialarbeiterischen Brille zu schauen und die Deutungshoheit (wieder) beim professionellen Selbstverständnis zu verorten.

Weiterhin ist es wichtig, die drei Dimensionen Strukturen, Ergebnisse und Prozesse zusammen zu denken und hinsichtlich der Erfolgsorientierung ausgewogen zu betrachten. Strukturelle Rahmenbedingungen bestimmen die Handlungsmöglichkeiten sozialarbeiterischer Prozesse, beides sind Einflussfaktoren auf die entstehenden Ergebnisse.

Erfolg ist Definitionssache. Indem Erfolg aus einem professionellen Verständnis heraus definiert wird, können Qualität und Wirkung Sozialer Arbeit erkannt und anerkannt werden. Das ist in dreierlei Hinsicht wichtig. Einerseits kann so die Wahrnehmung Sozialer Arbeit als eigenständige Profession gestärkt werden. Außerdem kann die Zufriedenheit von Sozialarbeiter*innen mit der eigenen Arbeitsleistung gesteigert werden, womit nicht zuletzt ein guter Schutzfaktor vor berufsbedingten psychischen Erkrankungen geschaffen werden kann.


Literatur

  • Boecker, Michael (2015): Erfolg in der Sozialen Arbeit – Im Spannungsfeld mikropolitischer Interessenskonflikte. Wiesbaden: Springer VS.
  • Gemende, Marion/Jerzak, Claudia/Lehr, Margit/Sand, Marianne/Wagner, Bernhard (2017):
    Quantitative Befragung zur Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen. Evangelische Hochschule Dresden (ehs).
  • Herriger, Norbert/Kähler, Harro Dietrich (2003): Erfolg in der Sozialen Arbeit – Gelingendes berufliches Handeln im Spiegel der Praxis. Bonn: Socialnet Verlag.
  • Seithe, Mechthild (2010): Schwarzbuch Soziale Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Seithe, Mechthild: (2012): Was ist „gute Soziale Arbeit“. Vortrag, Olten (Schweiz) 2012.
    http://zukunftswerkstatt-soziale-arbeit.de/vortraege/ [Zugriff 15.01.2021]

Marianne Sand und Margit Lehr

Dieser Artikel gehört zum Arbeitstisch 3 des Fachtages Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen (2020):

Psychohygiene für die Flüchtlingssozialarbeit

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen” (2020)

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[1]. Vgl. Becker 2015, S.118.

[2]. Vgl. Becker 2015, S. 131.

[3]. Vgl. Becker 2015, S. 56.

[4]. Vgl. Wöhrle 2003 in: Boecker 2015, S. 123.

[5]. Im Text wird der Begriff „neosozial“ in Anlehnung an Mechthild Seithe genutzt. Die Verfasserinnen verstehen darunter die neoliberale Handlungslogik mit dem Ziel der Effizienzsteigerung, die seit der Einführung der Neuen Steuerungsmodelle (NSM) in der Verwaltung auch Auswirkungen auf die Sozialpolitik und damit auf das sozialarbeiterische Handeln hat.

[6]. Vgl. Seithe 2012.

[7]. Vgl. Seithe 2010, S. 162 ff.

[8]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 1.2.1.

[9]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 1.2.1.

[10]. Dies wird durch die sozialpolitisch initiierte Konkurrenzsituation der Träger Sozialer Arbeit untereinander bzw. festgelegte Fachleistungsstunden und Budgets erreicht (vgl. Becker 2015, S.98).

[11]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 1.2.3.

[12]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 1.2.4.

[13]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 2.1.

[14]. Ebd.

[15]. Vgl. Gemende/Jerzak/Lehr/Sand/Wagner 2017.

[16]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 2.1.

[17]. Vgl. Seithe 2012 Pkt. 2.3.

[18]. Vgl. Seithe 2010, S. 35 ff.

[19]. Vgl. Seithe 2012, S. 11.

[20]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 69 ff.

[21]. Vgl. Seithe 2012, S. 6.

[22]. Herriger/Kähler, S. 14.

[23]. Vgl. Seithe 2012. S. 3.

[24]. Soziale Arbeit und Flüchtlingssozialarbeit sind in den meisten Herkunftsländern von geflüchteten Menschen nicht existent oder anders konzipiert.

[25]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 14 f. und S. 27.

[26]. Vgl. Seithe 2012, S. 15 f.

[27]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 14 und S. 20 f.

[28]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 14.

[29]. Vgl. Seithe 2012, S. 17.

[30]. Vgl. Seithe 2012, S. 17 f.

[31]. Vgl. Seithe 2012, S. 18.

[32]. Herriger/Kähler, S. 26.

[33]. In der direkten Interaktion und Zielentwicklung mit Klient*innen muss sich Soziale Arbeit im Rahmen des machbaren bewegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie problematische Gegebenheiten akzeptiert. Sozialer Arbeit kommt auch die Rolle der „gesellschaftliche[n] Kritikerin und […] Instanz zu, die sich aktiv für soziale Gerechtigkeit in Politik und Gesellschaft einsetzt“. Seithe 2012, S. 6.

[34]. Vgl. Seithe 2012, S. 6.

[35]. Vgl. auch Seithe, S. 42, Herriger/Kähler, S. 32 f.

[36]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 60 ff.

[37]. Vgl. Boecker 2015, S.132.

[38]. Vgl. Herriger/Kähler, S. 59.

[39]. Herriger/Kähler, S. 30.

Online-Fachtag “Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund– Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen”

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