Forschung
Wissenschaftliche Recherchen und empirische Erhebungen innerhalb und außerhalb Sachsens sind eine zentrale Aufgabe der Landesfachstelle. Die Erkenntnisse fließen als Input in den Austausch mit den Praxisakteuren ein und tragen damit zur Qualifizierung der Praxisakteure bei. Die Landesfachstelle leistet umfangreiche Recherchen und nutzt dabei Methoden der empirischen Sozialforschung, insbesondere auch der Aktions- bzw. Handlungsforschung als Bindeglied zwischen Erforschung der Praxis und Veränderung des Praxisfeldes.
Hier können Sie sich zu Hintergründen des Forschungs- und Gestaltungsprojekt sowie zu Ergebnissen verschiedener empirischer Untersuchungen der LaFaSt informieren.
Forschung und (Mit)Gestaltung
Die Landesfachstelle versteht sich als Einrichtung der Mitgestaltung und Unterstützung der Arbeit mit Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund.
Sie wird aber zur Erreichung dieses Ziels auch wissenschaftliche Recherchen und empirische Erhebungen durchführen, die dann wiederum als Input in den Austausch mit den Praxisakteur*innen einfließen. Durch Methoden der Aktions- bzw. Handlungsforschung enthält das Projektdesign von Beginn an ein Bindeglied zwischen der Analyse und Erforschung der Praxis einerseits und der Veränderung des Praxisfeldes andererseits.
So sollen Träger bzw. Fachkräfte der FSA/MSA in Sachsen Impulse erhalten durch Rückkopplung von Ergebnissen systematischer empirischer Untersuchungen in Bezug auf die Praxis in den Regionen Sachsens. Ebenso beteiligt sich die Landesfachstelle an den wissenschaftlichen Diskursen zu den Themenfeldern Flucht und Migration und stellt durch Recherchen und Aufbereitung von Erfahrungen aus anderen Bundesländern weitere Impulse zur Weiterentwicklung der FSA/MSA in Sachsen bereit.
Die Landesfachstelle FSA/MSA in Sachsen verfolgt generell das Ziel, einen wesentlichen Beitrag zur Professionalisierung der Praxis und zur (Weiter-)Entwicklung von Fachstandardszuleisten. Sie setzt diese Ziele auf der Basis wissenschaftlicher Forschungsmethoden durch empirische Analysen als wissenschaftliche Begleitung um.
Die Landesfachstelle verfolgt dabei aber einen doppelten Ansatz: Unser Beitrag für das Handlungsfeld der Flüchtlings- bzw. Migrationssozialarbeit erfolgt zugleich aus der Perspektive der Forschung wie auch aus der Perspektive der Mitgestaltung.
Aus der Forschungsperspektive stehen dabei im Mittelpunkt:
- Die Erforschung von Fragen zur Weiterentwicklung der FSA/MSA, zu deren Profilbildung oder auch zur Abgrenzung bzw. Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteur*innen im Handlungsfeld;
- Aktivierende methodische Ansätze, die im Sinne von partizipativer oder Handlungsforschung neben dem empirischen Erkenntnisgewinn immer auch das Ziel verfolgt, positive Veränderungen im Handlungsfeld anzustoßen.
- Die (Weiter-)Entwicklung eines Sensoriums, das im Stande ist, Themen, Probleme und auch gelingende Lösungen zeitnah aufzuspüren und in den landesweiten Diskurs zu bringen;
Über den Tellerrand geschaut – Flüchtlings- und/oder Migrationssozialarbeit in anderen Bundesländern
Das föderale Staatssystem der Bundesrepublik Deutschland bedingt regional unterschiedliche Regelungen zur Flüchtlingssozialarbeit (FSA) oder auch Migrationssozialarbeit (MSA). So haben die Bundesländer verschiedene Gesetze und/oder Richtlinien geschaffen, welche die Soziale Arbeit mit Geflüchteten sowie verschiedene Integrationsleistungen (Förderung im Zugang zu Spracherwerb, Bildung, Arbeitsmarkt etc.) regeln. Daraus resultieren vielfältige Möglichkeiten einer Ausgestaltung der FSA in den verschiedenen Bundesländern, was nicht zuletzt ursächlich für die regional differente Qualität des Arbeitsfeldes sein könnte. So sollte der angestrebte Überblick zu den diversen Strukturen in den jeweiligen Bundesländern auch die Möglichkeit schaffen, die regionalen Entwicklungen in einen bundesdeutschen Kontext einzuordnen.
Zur Rolle von Offenen Treffs als Orte sozialer Integration
Für geflüchtete Menschen besteht das Ankommen in der Aufnahmegesellschaft auch im Aufbau neuer sozialer Beziehungen – in die Communities vor Ort, zu weiteren Menschen mit Fluchterfahrungen, sowie zur nicht-migrantischen Bevölkerung.[1] Geflüchtete Menschen suchen in ihrem Ankommen auch nach sozialem Anschluss, nach „sozialer Integration“.
Die Bedeutung sozialer Kontakte für gesellschaftliche Integrationsprozesse ist in der Migrationsforschung umfassend thematisiert. Insbesondere für Prozesse einer sozialstrukturellen, kulturellen und identifikativen Integration wird diese wiederholt hervorgehoben.[2] Scherr betont, dass diese insbesondere in Bezug auf die zwischenmenschliche Unterstützung, das Erfahrungswissen im Umgang mit Alltagsangelegenheiten und Behörden, sowie den informellen Spracherwerb eine Rolle spielen. Zentral seien sie zudem in Bezug auf die Möglichkeiten des Erlebens emotionaler Sicherheit durch die in (positiven) Beziehungen vermittelten Erfahrungen von Zugehörigkeit und Anerkennung. Nicht zuletzt verweist er aber auch auf die Bedeutung informeller Kontakte für mögliche Zugänge zu Praktika, Jobs, Ausbildungsstellen und den Wohnungsmarkt.[3] Uns beschäftigte vor diesem Hintergrund die Frage, welche Rolle die Soziale Arbeit mit geflüchteten Menschen in diesem Zusammenhang einnehmen könnte. Unseren Blick wollten wir hierbei auf jene Strukturen und Angebote richten, welche durch einen niedrigschwelligen Zugang für ihre Nutzer*innen gekennzeichnet sind.
[1] vgl. u.a. Adam, Francesca/Föbker, Stefanie/Imani, Daniela/Pfaffenbach, Carmella/Weiss, Günther/ Wiegandt, Claus-C. (2019): Integration Geflüchteter in nordrhein-westfälischen Städten und Gemeinden. Düsseldorf: Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V. (FGW). www.fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/FGW-Studie-ISE-12-Wiegandt-2019_01_29-komplett-web.pdf (Abfrage: 05.01.2023).
[2] vgl. u.a. Scherr, Albert (2020): Migrationsprojekte, Integrationsdimensionen und Integrationsprozesse. Oder: warum Integration mehr umfasst als Spracherwerb, Bildung und Arbeit. In: Flüchtlingssozialarbeit auf dem Weg der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund. Entwicklungen, Positionierungen, (Heraus)Forderungen. Dokumentation des Online-Fachtages am 8. Dezember 2020 an der Evangelischen Hochschule Dresden. www.ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/Dokumentation_FSA-Fachtag_8.12.2020_end.pdf(Abfrage: 05.01.2023)
[3] vgl. ebd.
Fachkräftebefragungen
Befragung zur Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen 2020
Im Jahr 2017 haben wir vor dem Hintergrund des damals noch recht undeutlich konturierten Arbeitsbereiches der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen eine landesweite standardisierte Befragung durchgeführt, deren Ziel es war, erste belastbare Daten zur Praxis und zur Situation der Flüchtlingssozialarbeit zu generieren. Damit konnte eine erste Momentaufnahme zu den Arbeits- und Rahmenbedingungen sowie Aufgaben und Erfahrungen in einem weitgehend unerforschten Handlungsfeld gezeichnet werden, das sich als wahrnehmbares Feld seit 2015 gerade erst neu konstituiert hatte, wenn auch – der Not gehorchend – in ungeheurer Geschwindigkeit und in einer teilweise unüberschaubaren Vielfalt und anfänglich recht chaotischen Struktur.
Drei Jahre später konnten wir nun diese Befragung wiederholen. Dabei zeigen sich einige eher moderate Veränderungstendenzen, im Großen und Ganzen jedoch durchaus auch eine Kontinuität in vielen Bereiche. Beides, Veränderung wie auch Kontinuität, kann je nach Fragestellung als gutes wie auch als schlechtes Ergebnis gewertet werden.
Der Versuch, belastbare quantitative Daten zu diesem immer noch diffusen Feld zu generieren, sieht sich weiterhin mit der Herausforderung einer unbekannten und sich in ständiger Veränderung begriffenen Grundgesamtheit konfrontiert. Eine im statistischen Sinn repräsentative Befragung, in der von einer Stichprobe auf eine klar definierte Grundgesamtheit geschlossen werden kann, ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Aufgrund der Tatsache, dass die zu befragende Gruppe der in der Sozialarbeit mit bzw. der sozialen Betreuung von geflüchteten Menschen tätigen Personen nicht vollständig bekannt war, konnte hier nicht der in repräsentativen Befragungen übliche Weg einer Zufallsauswahl aus einer klar definierten Grundgesamtheit gegangen werden. Auch eine sog. Vollerhebung war nicht möglich, da hierzu eine vollständige Liste der zu Befragenden notwendig gewesen wäre.
Um dennoch ein möglichst vollständiges und umfassendes Bild zu erhalten, wurde der Weg gewählt, über eine Recherche der in der FSA tätigen Träger möglichst viele der potenziell zu Befragenden zu erreichen. Ergänzt wurde diese Methode durch weitere Recherchewege, so etwa über online zugängliche Quellen und über persönliche Kontakte.
In der Folge sind unsere Ergebnisse nicht repräsentativ für alle als „Flüchtlings- oder Migrationssozialarbeiter*innen“ oder als „Soziale Betreuer*innen“ geflüchteter Menschen etc. Beschäftigten. Wir können aber davon ausgehen, dass unsere Daten tendenziell durchaus die Verhältnisse in der Flüchtlingssozialarbeit1 widerspiegeln. Die letztlich mit der Befragung erreichten 155 Personen bilden in Bezug auf deren soziodemografische Merkmale das Spektrum der in diesem Arbeitsfeld Beschäftigten nach allen uns vorliegenden Erkenntnissen durchaus gut ab.
Die Befragung fand in den Monaten Oktober und November 2020 online statt. Mit einem Rücklauf von 155 verwertbaren Fragebögen2 haben wir etwas mehr Personen erreicht als bei der Befragung 2017, zu der 130 Befragte geantwortet hatten.
Nach unseren – aufgrund der schwierigen Datenlage immer nur annäherungsweise genauen – Berechnungen anhand der vorliegenden Daten aus den Landkreisen und kreisfreien Städten dürften zum Zeitpunkt der Befragung in Sachsen ungefähr 330 Personen – in unterschiedlichen Funktionen und mit unterschiedlichen Qualifikationen – in dem Handlungsfeld beschäftigt gewesen sein, was bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von knapp 33 Stunden etwa 270 Vollzeitäquivalenten entsprechen dürfte.
Somit müssten wir knapp die Hälfte (47%) der geschätzten Grundgesamtheit derjenigen Beschäftigten erreicht haben, die zum Zeitpunkt der Befragung hauptamtlich in der Arbeit mit geflüchteten Menschen in Sachsen tätig sind – eine für vergleichbare Erhebungen durchaus sehr gute Quote.
Der folgende Überblick beschreibt – meist unkommentiert – einige ausgewählte Ergebnisse der Wiederholungsbefragung von 2020, die regelmäßig den Ergebnissen der Befragung von 2017 gegenübergestellt werden.
1 Wenn wir in diesem Bericht von „Flüchtlingssozialarbeit“ (oder auch „Migrationssozialarbeit“) sprechen, so folgen wir hier einem üblichen, der Mehrheit der Beschäftigten auch gerecht werdenden, aber natürlich streng genommen nicht immer korrekten Sprachgebrauch: Wir haben potenziell alle Personen befragt, die derzeit hauptberuflich in Sachsen mit geflüchteten Menschen arbeiten, ob mit einem beruflichen Abschluss in der Sozialen Arbeit bzw. Sozialpädagogik oder auch mit einem anderen Abschluss. Letztere können natürlich nicht als „Sozialarbeiter*innen“ tätig sein, sondern sind – als Quereinsteiger – als „Soziale Betreuer*innen“, „Flüchtlingsbegleiter*innen“, „Alltagsbegleiter*innen“ (bzw. mit zahlreichen weiteren Bezeichnungen) tätig.
2 Da nicht alle Befragten alle Fragen beantwortet haben, ist die den im Folgenden referierten Prozentangaben zugrundeliegende Anzahl der Befragten meist jedoch geringer als 155.