Stellungnahme zum SITG Entwurf
von LaFaSt FSA/MSA in Sachsen
Stellungnahme der Landesfachstelle Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit in Sachsen zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat Sachsen / Sächsisches Gesetz zur Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund (Sächsisches Integrations- und Teilhabegesetz – SächsIntG)
- 1. Landesfachstelle Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit im SITG-Beteiligungsprozess
- 2. FSA in Sachsen
- 3. Das Subsidiaritätsprinzip
- 4. Standards und Standardisierung
- 5. Standardisierung von Personalschlüssel
- 6. Standardisierung von Qualifizierungen
- Resümee
1. Landesfachstelle Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit im SITG-Beteiligungsprozess
Die Landesfachstelle Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit in Sachsen (LaFaSt) an der Evangelischen Hochschule Dresden (EHS) hat zum Ziel, als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis zur weiteren Professionalisierung der Geflüchteten- und Migrationssozialarbeit in Sachsen beizutragen. Die LaFaSt FSA/MSA soll wesentliche Impulse zur Schärfung des fachlichen Profils der Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit in Sachsen sowie zu ihrer qualitativen Weiterentwicklung in enger Kooperation mit den Trägern geben. Dabei zielt sie auf die Professionalisierung und Unterstützung der Arbeit der Fachkräfte bei der Integration von Geflüchteten und anderen Migrant*innengruppen in den jeweiligen Sozialräumen in Sachsen. Die LaFaSt unterstützt dies durch u.a. die Organisation fachspezifischer Seminare und Weiterbildungen, die regional- und trägerspezifische Begleitung und Koordination von Prozessen der Qualitätsentwicklung, die Konzeption einer modularen Weiterqualifizierung von Quereinsteiger*innen in der Geflüchtetensozialarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, sowie Netzwerk- und Gremienarbeit.
Die LaFaSt resp. die Wissenschaftliche Begleitung der FSA in Sachsen war in enger Kooperation mit der LAG FSA/MSA, der LIGA und anderen Praxisvertreter*innen wie auch in Kooperation mit dem SMS intensiv an dem landesweiten Beteiligungsprozess zum geplanten Sächsischen Integrations- und Teilhabegesetz beteiligt. Aktiv waren wir an der Vorbereitung der beiden Konferenzen zur „Migrationssozialarbeit“ (10. Juni 2021) sowie zur „Flüchtlingssozialarbeit“ (9. Juli 2021) beteiligt. Zur Konferenz am 10. Juni konnten wir in einem zentralen Input „Einige Ergebnisse und Thesen zur FSA/MSA in Sachsen“ in Sachsen vorstellen. Vor dem Hintergrund dieses langen und ausführlich mit empirischem und praktischem Wissen hinterlegten Beteiligungsprozesses kritisieren wir den vorgelegten Gesetzesentwurf – vor allem bezüglich des § 13 zur Flüchtlingssozialarbeit.
2. FSA in Sachsen
Der §13 zur Flüchtlingssozialarbeit in dem aktuellen Gesetzesentwurf eines SITG ist unserer Ansicht zu kurz gefasst und enthält Formulierungen, welche wir so nicht teilen können. Der vorliegende Entwurf der Staatsregierung enthält folgende Regelungen zur Flüchtlingssozialarbeit:
§ 13 Flüchtlingssozialarbeit in den Landkreisen und Kreisfreien Städten
Die Integrationsbehörden können die Aufgabe der sozialen Beratung und Betreuung der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge einschließlich der Beratung zur freiwilligen Rückkehr (Flüchtlingssozialarbeit) wahrnehmen.
Mit der Richtlinie Soziale Betreuung (RL SB) hat das SMGI 2015 eine Grundlage für die Förderung der kommunalen Flüchtlingssozialarbeit geschaffen und damit dem vom Bund finanzierten Jugendmigrationsdienst und der Migrationsberatung für Erwachsene den Kommunen ein migrationspolitisches Steuerungs- und Gestaltungsinstrument in die Hände gelegt. Der neueste der drei Migrationsfachdienste hat sich seitdem in Sachsen etabliert.
Rund 300 Fachkräfte arbeiten aktuell in der Flüchtlingssozialarbeit.[1] In den drei kreisfreien Städten und sieben Landkreisen sind freie Träger mit der FSA beauftragt. In drei Landkreisen sind die Flüchtlingssozialarbeiter*innen in Ämtern, also beim öffentlichen Träger, angegliedert, allerdings wie seit 1.1.2021 in der Kommunalpauschalenverordnung (SächsKomPauschVO) vorgeschrieben, nicht mehr in der Ausländerbehörde.
Zu den Aufgaben der FSA gehören gemäß der Fachkräfte-Befragung 2023 der LaFaSt:
Wie die Abb. 1 zeigt, sind die „Allgemeine soziale Hilfestellung und Beratung“, die „Kooperation mit Behörden“ sowie die „Unterstützung bei Behördengängen“ die häufigsten regelmäßigen Aufgaben; je 92% der Befragten sind „sehr häufig/immer“ oder „eher häufig“ damit beschäftigt. Auch die „Hilfe bei Erstorientierung im Sozialraum“ sowie die „Unterstützung bei der Gesundheitsversorgung““ sind Kernaufgaben, die von 83% bzw. 82% „immer“ bis „eher häufig“ anfallen.
Der Vergleich zur Fachkräftebefragung 2020 zeigt, dass die Prioritätensetzung im Aufgabenspektrum der FSA Bestand hat, sich allerdings mehr Befragte zuständig für allgemeine Beratung und Behördenkommunikation sehen, diese also mit deutlichem Abstand als die Hauptaufgaben der FSA bezeichnet werden können. Die „Hilfe bei der Erstorientierung“ (83%) hat dabei im Vergleich mit 2020 (63%)) deutlich an Bedeutung gewonnen.
Weitere Aufgaben, die von mindesten der Hälfte der Befragten übernommen werden, sind – analog zu 2020 – Unterstützung beim Spracherwerb (2020: 68%, 2023: 77%), Qualitätsmanagement und Dokumentation (2020:75%, 2023:77%), Übergangsmanagement 2020: 63%, 2023: 72%), Wahrnehmen von Hinweisen auf Schutzbedürftigkeit (2020: 62%, 2023: 70), Koordinierung von Unterstützungsangeboten (2020: 70%, 2023: 68%), Informationen zu Bildungsmöglichkeiten (2020: 76%, 2023: 69%), Unterstützung bei der Entwicklung einer Lebensperspektive (2020: 73%, 2023: 67%), Wohnungssuche bei Anerkennung (2020: 60%. 2023: 63%), Informationen zum Asylverfahren (2020:49%, 2023:55%).
Anhand dieses breiten Aufgabenspektrums der FSA wird deutlich, dass diese Aufgaben weit über die „soziale Betreuung“, wie die FSA begrifflich über die Richtlinie beschrieben wird, hinausgehen. Soziale Arbeit mit Geflüchteten leistet als kommunaler Migrationsfachdienst zentrale Aufgaben in der ersten Phase des Integrationsprozesses. Mit der Orientierung und Begleitung bei behördlichen Angelegenheiten ermöglicht und erleichtert FSA sowohl für die kommunalen Ausländerbehörden und für andere zuständige Regelstrukturen als auch für die Adressat*innen, die Erfüllung institutioneller Anforderungen. Infolge der in den vergangenen 8 Jahren deutlich zunehmenden und ausdifferenzierteren Angebote im Integrationsbereich ist FSA insbesondere bei der (fallbezogenen) Vermittlung von (flucht)migrationsspezifischen Angeboten gefragt. Adäquate Verweisberatung ist nur fallbezogen möglich, genau wie die Begleitung im Asylverfahren und beim Übergang nach der Anerkennung. Ohne Flüchtlingssozialarbeit – wie sie in Sachsen momentan konzipiert und praktiziert wird – wären die Adressat*innen weitgehend auf sich allein gestellt.
Deutlich wird in der Befragung der Fachkräfte, dass Rückkehrberatung – wie in §13 des Gesetzentwurfs unter FSA subsumiert – nicht zum Arbeitsfeld zugehörig verstanden wird. Wir unterstützen die Ansicht der Fachkräfte und der Interessenvertretungen der FSA/MSA (wie bspw. die LAG FSA/MSA), dass eine Rückkehrberatung nicht zu dem Aufgabenfeld der Geflüchtetensozialarbeit gerechnet werden sollte. Eine fachliche Trennung von FSA und freiwilliger Perspektivberatung/Rückkehrberatung scheint notwendig, da verschiedene Kenntnisse im Beratungsinhalt gefordert sind. Die freiwillige Perspektivberatung/Rückkehrberatung sollte nach fachlichen Standards und in freier Trägerschaft umgesetzt werden. Bereits im Jahr 2020 hat die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen ein Positionspapier zu den fachlichen Anforderungen veröffentlicht.[2]
FSA muss als kommunale Pflichtaufgabe verstanden werden und dementsprechend gesetzlich verankert sein. „Wir brauchen daher eine dauerhafte auskömmliche Finanzierung, die auch die Kosten für geduldete Geflüchtete einbezieht.“[3], so der Deutsche Städte– und Gemeindetag. Neben der durch das Konnexitätsprinzip geregelten Finanzierung sollte aus Sicht der Sozialen Arbeit ein Integrationsgesetz Aufgaben der Unterstützung, Beratung, Begleitung und Koordination von Integration der Einzelnen in die Zivilgesellschaft von Beginn an festschreiben und daneben verbindliche Zuständigkeiten schaffen.[4] Es braucht verlässliche hauptamtliche Strukturen in den Ländern und Kommunen sowie einen rechtlichen Rahmen für eine professionelle Soziale Arbeit für eine gelingende Integrationsarbeit. Eine Regelfinanzierung ist der Projektfinanzierung vorzuziehen, da aufgrund unsicherer kurzfristige Arbeitsverträge qualifiziertes Personal oft nicht in dem Feld arbeiten will. Die daraus resultierende Personalfluktuation führt zu immer neuen Beziehungsabbrüchen zu den Adressat*innen und auch den Netzwerken, was sich auf den Erfolg und die Qualität der Arbeit negativ auswirkt. Zur langfristigen Qualitätssicherung des Arbeitsfeldes FSA/MSA braucht es in einem Integrations- und Teilhabegesetz Regelungen zu:
- Integration als Pflichtaufgabe der Länder und Kommunen
- wesentlichen Aufgaben zur Integration in Arbeit
- Unterstützung[5] und Begleitung
- Sprachbildung für alle und zwar von Beginn an,
- Anforderungen an personelle Ausstattung und Qualifikation
- Zuständigkeiten
- Entflechten von bestehenden Reglungen und
- Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder[6]
- fachliche Begleitung der Fachdienste.
Welcher Personenkreis ist eigentlich Zielgruppe des SITG?
Im §1 des Referentenentwurfs zum SITG werden zunächst die „im Freistaat Sachsen lebenden Menschen mit Migrationshintergrund“ als Zielgruppe des Gesetzes bestimmt.
Diese Zielgruppe wird im §5 (1) definiert:
„Menschen mit Migrationshintergrund im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die sich dauerhaft berechtigt im Freistaat Sachsen aufhalten und die selbst oder bei denen mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden.“
Die Einschränkung des Begriffs der „Menschen mit Migrationshintergrund“ auf jene Teilgruppe, „die sich dauerhaft berechtigt“ im Freistaat Sachsen aufhält, stellt eine Verengung des Begriffes dar, der die Frage offenlässt, was mit den Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll, die (zunächst) keine Perspektive auf einen „dauerhaften“ Aufenthalt im Freistaat Sachsen haben. Werden diese von den Integrations- und Teilhaberechten ausgeschlossen? Beginnt die Teilhabe erst, wenn ein dauerhafter Aufenthaltstitel vorliegt?
Was bedeutet „dauerhafter“ Aufenthalt?
Dieses Attribut wird im Referentenentwurf unscharf und uneinheitlich verwendet. In der Präambel ist einerseits die Rede von den „im Freistaat Sachsen ankommenden und bleibenden Menschen“. Zuvor wird aber „die humanitäre Verantwortung des Freistaates Sachsen“ in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen auf diejenigen „mit einer mittelfristigen oder dauerhaften Bleibeperspektive“ eingeschränkt. Völlig offen bleibt hier der Begriff der „mittelfristigen“ Bleibeperspektive. Was bedeutet „mittelfristig“?
Hier bleibt zu fragen: Wo beginnt dann das Integrations- und Teilhaberecht der betroffenen Menschen? Gehören dazu auch Flüchtlinge bis zum Abschluss des Asylverfahrens? Sind das geduldete Menschen?
In der Präambel heißt es dazu auch: „Art und Umfang der Teilhabemöglichkeiten des Einzelnen richten sich hierbei nach dem aufenthaltsrechtlichen Status.“ In welcher Weise ermöglicht oder beschränkt also welcher aufenthaltsrechtliche Status die Integrations- und Teilhaberechte welcher Gruppe?
In diesem Zusammenhang ist insbesondere die im § 13 nur kurz benannte Flüchtlingssozialarbeit betroffen, die ja die Betreuung und Begleitung von geflüchteten Menschen vom Augenblick ihrer Ankunft in Sachsen zur Aufgabe hat.
Hinzu kommt die Unklarheit, was mit „Flüchtlingen“ eigentlich gemeint sein soll? Flüchtlinge werden im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verstanden als Personen, die sich aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung außerhalb des Staates aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, sowie Staatenlose, die sich deshalb außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltsstaates befinden.
Offen bleibt hier, wie die Gruppe der „Flüchtlinge“ im Kontext der oben zitierten Definition der „Menschen mit Migrationshintergrund“ einzuordnen ist. Werden also „Flüchtlinge“ erst zur Zielgruppe des SITG, wenn sie eine (nicht ausreichend definierte) „mittelfristige“ oder „dauerhafte“ Bleibeperspektive erreicht haben. Ist damit ein großer Teil der Zielgruppe der Flüchtlingssozialarbeit von den Rechten (und Pflichten) des SITG ausgeschlossen?
In der ersten Hälfte des Jahres 2023 lebten von den insgesamt 115.583 Geflüchteten in Sachsen 12.602 Menschen im Asylverfahren, 15.636 geduldete und ausreisepflichtige Menschen und 5.789 Menschen mit Abschiebungsverbot.[7] Menschen mit einer Duldung waren lange in hohem Maße von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Mit der Einführung des neuen Chancenaufenthaltsrecht wird einer Gruppe innerhalb der geduldeten Geflüchteten der Zugang zu wichtigen Ressourcen geöffnet. Der aktuelle Entwurf lässt leider offen, welche Zugänge für die große Gruppe der Geflüchteten mit einer unsicheren Bleibeperspektive in Sachsen geschaffen werden.
Ein Integrations- und Teilhabegesetz sollte die Möglichkeit eines frühzeitigen Zugangs zu Integrationskursen, Sprachförderung und Arbeitsmarktintegration und somit eine „echte und wertvolle Chance zur Integration von Geflüchteten“[8] geben. Gerade aus menschenrechtlicher Sicht sollte allen Geflüchteten, unabhängig ihrer Bleibeperspektive, frühzeitige Angebote eröffnet werden. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn durch ein Integrations- und Teilhabegesetz Privilegien für geflüchtete Menschen mit guter Bleibeperspektive geschaffen werden und dies eine Ungleichbehandlung, welche vielfältige Probleme zur Folge haben kann, befördert.[9] Eine Separierung in verschiedene Geflüchtetengruppen schafft Teilhabebarrieren und somit Ausgrenzung.[10]
3. Das Subsidiaritätsprinzip
„Das Subsidiaritätsprinzip – oder weshalb Flüchtlingssozialarbeit von freien und öffentlichen Trägern kooperativ und ‚auf Augenhöhe‘ geleistet werden muss“ hat die LaFaSt schon mehrfach insbesondere hinsichtlich der FSA in Sachsen appelliert.[11] Für die Frage der Trägerschaft von Sozialer Arbeit im Allgemeinen und von FSA im Speziellen ist das Subsidiaritätsprinzip entscheidend. Weder die aktuelle Regelung bzgl. FSA in der SächsKomPauschVO
(2) Die Zuwendung nach Absatz 1 Nummer 2 setzt voraus, dass die Angebote
1. zur Flüchtlingssozialarbeit nicht in fachlicher Zuständigkeit oder in eigener Umsetzung in den für ausländerrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Ämtern angesiedelt sind[12]
noch die im Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgesehene Regelung
Die Landkreise und Kreisfreien Städte können im Rahmen der kommunalen Integrationsarbeit die soziale Beratung und Betreuung der ihnen als untere Unterbringungsbehörden im Sinne des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes zugewiesenen Flüchtlinge (Flüchtlingssozialarbeit) wahrnehmen.[13]
erfüllen das Subsidiaritätsprinzip.
Die Kooperation zwischen öffentlichen und freien Trägern der Wohlfahrtspflege (auch der FSA) ist nicht konfliktfrei. Auch die professionelle Arbeit bei einem freien oder bei einem öffentlichen Träger ist spannungsreich. Konflikte bzw. Spannungen resultieren aus dem doppelten oder Tripelmandat Sozialer Arbeit. Soziale Arbeit ist angehalten, Rechtsansprüche, Bedürfnisse und Interessen von Adressat*innen zur Geltung zu bringen und zugleich auch soziale Kontrollinteressen seitens öffentlicher Steuerungsagenturen (wie z.B. der je aktuellen Sozialpolitik) zu berücksichtigen.[14] Das Tripelmandat bezieht sich zudem noch auf den fachlichen und ethischen Kodex der Profession Soziale Arbeit[15], den es bei der Hilfe und der Kontrolle zu berücksichtigen gilt[16]. Das Gleichgewicht zwischen Hilfe, Kontrolle und den Standards Sozialer Arbeit zu halten, ist ein Spagat, der zum einen von den Fachkräften selbst zu vollziehen ist als auch in den Kooperationen zwischen freien und öffentlichen Trägern wirksam wird. Dies vor allem, wenn sich freie Träger eher den Lebenswelten und Aufträgen der Adressat*innen verpflichtet fühlen und öffentliche Träger sich vor allem als Steuerungsagentur staatlicher Interessen verstehen. Dann prallen unterschiedliche Handlungslogiken aufeinander, werden Machtverhältnisse offensichtlich und Rollenkonflikte manifest.
Nur durch gegenseitige Wertschätzung und transparente Kommunikation sowie eine Kooperation ‚auf Augenhöhe‘ kann eine gemeinsame und lösungsorientierte Reflexion der Rollenkonflikte und der (sozialen) Probleme der Adressat*innen gelingen. Tatsächlich können sich die scheinbar gegensätzlichen Intentionen zum Wohl der Zielgruppen gewinnbringenden ergänzen. Staat und Verwaltung müssen nach dem Gleichbehandlungsprinzip Menschen gleichbehandeln. Das ist eine solide Basis, die Zuverlässigkeit und Vertrauen schafft. Menschen sind aber nicht gleich und ihre Bedarfe unterscheiden sich. Daher braucht es eine weitere Instanz, die den Fokus auf jeden einzelnen und dessen individuelle Situation legt. Das können freie Träger leisten. Nur gemeinsam ist die bestmögliche Versorgung gleich welcher Zielgruppe realisierbar.
Dafür, dass Flüchtlingssozialarbeit bevorzugt bei freien Trägern angesiedelt werden sollte, sprechen noch weitere Gründe:
1) FSA ist Soziale Arbeit und dem ethischen Kodex ihrer Profession verpflichtet
Wenn Soziale Arbeit bei öffentlichen Trägern angesiedelt wird, besteht – je nach Handlungsfeld – die Gefahr, dass sie sich der Handlungslogik des zur Kontrolle verpflichteten Arbeitgebers zu sehr beugen muss und nicht mehr frei ihrem ethischen Kodex entsprechend agieren kann. Die Rollenkonflikte verstärken sich, werden unlösbarer. Für die Flüchtlingssozialarbeit zeigt sich dies besonders dann, wenn mandatswidrige Erwartungen an die Fachkräfte gerichtet werden, zum Beispiel „dass sie ‚Amtshilfe‘ für die Polizei leisten, Angaben zu vermuteten Herkunftsländern machen, Abwesenheiten in Unterkünften melden, Adressen von untergetauchten Bewohner_innen weiterleiten oder dass sie an Altersfeststellungen [oder Abschiebungen] mitwirken.“[17]
2) Geflüchtete können Vorbehalte gegen öffentliche Träger bzw. staatliche Akteure haben
Dass ein großer Teil der Geflüchteten schwierige bis lebensbedrohliche Erfahrungen mit staatlichen Instanzen des jeweiligen Herkunftslands machte, steht außer Frage. Eine Forschungskooperation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Sozioökonomischen Panels (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) befragte bundesweit 2349 nach Deutschland geflüchtete Menschen nach ihren Fluchtgründen. Als häufigste Fluchtmotive wurden die Angst vor gewaltsamen Konflikten oder Krieg (70%) und Verfolgung (44%) genannt, eine hohe Zustimmungsrate erfuhren außerdem die Motive Diskriminierung (38%) sowie Zwangsrekrutierung (36%).23 In einigen Herkunftsländern sind staatliche Einrichtungen zudem massiv durch Korruption und Amtsmissbrauch geprägt. Diese Erfahrungen bringen geflüchtete Menschen mit und generelle Vorbehalte gegenüber staatlichen Akteuren sind von daher nachvollziehbar.
Des Weiteren sind Geflüchtete im Rahmen des Asylverfahrens und darüber hinaus in vielfältiger Weise von öffentlichen Trägern abhängig. Die jeweiligen Behörden sind verantwortlich für Fragen des Leistungsbezugs, der Unterbringungssituation, des Aufenthaltsrechts etc. Diese Zuständigkeiten können eine weitere Hemmschwelle darstellen, sich einer beim öffentlichen Träger angesiedelten FSA vertrauensvoll zu öffnen. Die Menschen könnten sich fragen: Wenn ich der/dem Sozialarbeiter/in von meinen Problemen und Schwierigkeiten berichte, hat das dann Einfluss darauf, wo ich untergebracht werde? Etc.
3) Eine klarere und transparente Abgrenzung von Zuständigkeiten wirkt falschen Erwartungen entgegen
Wer sich im Zuge von Migration in ein anderes Land begibt, muss sich in vielerlei Hinsicht Neues erschließen. Neben beispielsweise Sprache, Verhaltensweisen und Umgangsformen gilt es, das System von Zuständigkeiten und Kompetenzen diverser Akteure zu verstehen. „Für viele Geflüchtete ist es unmöglich, zwischen haupt- und ehrenamtlichen Strukturen oder Personen und zwischen unterschiedlichen Funktionen und Handlungslogiken zu differenzieren“[18] – das haben im Rahmen unseres Forschungsprojekts durchgeführte Interviews mit Geflüchteten in Sachsen ergeben. Zu unbekannten Strukturen kommen erschwerend unbekannte Berufsbilder hinzu. Soziale Arbeit und Flüchtlingssozialarbeit sind in den meisten Herkunftsländern von geflüchteten Menschen nicht existent oder anders konzipiert.
Wenn FSA nun beim öffentlichen Träger angesiedelt ist, können aus der Perspektive der Geflüchteten die Zuständigkeiten der Mitarbeitenden verschwimmen. Alle arbeiten bei der Ausländerbehörde oder dem Sozialamt, die Büros und Beratungsräume der FSA sind möglicherweise in den gleichen Gebäuden wie die der Sachbearbeiter*innen der Leistungs-, Rechts- und Unterbringungsabteilung. Zum einen kann dies zum im vorherigen Punkt beschriebenen Misstrauen gegenüber der FSA als direkter Teil staatlicher Strukturen führen. Zum anderen können dadurch falsche Erwartungen entstehen. Die Menschen könnten denken: Mein/e Sozialarbeiter/in arbeitet doch bei der Ausländerbehörde. Dann kann er/sie mir auch die Zuweisung in eine andere Unterkunft geben. Oder: Dann kann er/sie mir auch den Krankenbehandlungsschein ausstellen. Oder: Dann kann er/sie mir auch eine Arbeitserlaubnis erteilen usw. Diese Situation kann zu erhöhtem Stress bei den Sozialarbeiter*innen führen und Frustration bzw. Enttäuschungen bei den Geflüchteten hervorrufen. Wichtig sind eine klare und transparente Mandatierung der verschiedenen Träger und Personen sowie die Klärung von Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation zwischen ihnen – auch und besonders gegenüber den Geflüchteten.
4) Freie Träger können auf andere Ressourcen zugreifen als öffentliche Träger
FSA ist eines der komplexesten Handlungsfelder Sozialer Arbeit. Die Zielgruppe der Geflüchteten zeichnet sich durch Heterogenität aus – Alleinstehende und Familien, Alte und Junge, Kranke und Gesunde, Menschen mit verschiedenen Aufenthaltsstatus etc. Entsprechend vielseitig sind die Bedarfe und Themen der Menschen. Das Aufgabenspektrum der FSA lässt auf eine Allzuständigkeit schließen – es geht um die ersten Schritte der Integration in alle Strukturen der Lebenswirklichkeit. Der Betreuungsschlüssel für FSA kann in aller Regel als herausfordernd bezeichnet werden. Um angesichts dieser Rahmenbedingungen bestmöglich agieren zu können, brauchen die Fachkräfte unterstützende Ressourcen. Hier zeigt sich die Stärke freier Träger. Lokale Träger sind bereits gut im Sozialraum vernetzt und können über ihre Netzwerke weitere Angebote für Geflüchtete erschließen. Häufig verfügen freie Träger über einen eigenen Ehrenamtspool, der für verschiedene Anliegen angefragt werden kann. Weiterhin kennen hier beschäftigte Fachkräfte die anderen Angebote des Trägers, können leichter darauf zugreifen bzw. Menschen dorthin verweisen. Das können zum Beispiel andere Beratungsangebote wie Schwangerschaftsberatung oder Schuldnerberatung sein. In der Regel haben freie Träger, die FSA leisten wollen, Erfahrung im sozialen Bereich. Sie können für ihre Mitarbeiter*innen entsprechend kollegiale Fallberatung, Supervision etc. zum fachlichen Austausch und zur Entlastung bereitstellen. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Sie zeigt dennoch deutlich, dass durch gelebte Subsidiarität die freien Träger aus Ressourcen schöpfen können, die den staatlichen Stellen nicht in diesem Maße offenstehen.
4. Standards und Standardisierung
Die Bedeutung von Standards in der FSA bleibt auf vergleichbarem Niveau bestehen.
Im Bewusstsein der Unschärfe des Standardbegriffs und der sehr unterschiedlichen Lesarten des Themas haben wir den Fachkräften der FSA in Sachsen 2017, 2020 und 2023 die Frage vorgelegt, ob bei deren Trägern einheitliche Standards für die Arbeit mit geflüchteten Menschen existieren. Wie aus der Abb.2 hervorgeht, bejahen dies 2023 rund 42% der Befragten. 2020 waren es noch 38% der Befragten, während sich drei Jahre zuvor noch knapp die Hälfte an Standards orientierten. Wieder gesunken ist der Anteil derer, die in Teilbereichen mit Standards arbeiten (von 36% über 40% zu ca.34%). Der Anteil der kategorischen Nein-Antworten beträgt ein Viertel und bleibt damit ungefähr gleich zu 2020. Die Fachkräfte rufen weiterhin nach Standards, wenn auch nur in Teilbereichen der Flüchtlingssozialarbeit.
In der Folgefrage sollten sich die Befragten gegenüber drei vorgelegten Statements zur (Un-)Verzichtbarkeit bzw. Notwendigkeit von Standards in der FSA positionieren.
Hier ist der Anteil derer, die Standards für unverzichtbar halten, leicht gestiegen (von 23% in 2017 über 25% in 2020 zu 28% in 2023). Zum anderen hat sich der Anteil derer, die Standards in der FSA für „weitgehend sinnlos“ halten seit 2017 von neun Prozent um zwei Prozentpunkte reduziert und bleibt dementsprechend auf einem sehr niedrigen Niveau. Gleich bestimmend geblieben ist der Anteil derer, die auf Teilstandardisierung drängen, in Bereichen, in denen das möglich ist.
Mit der offenen Frage „In welchen Bereichen Ihrer Arbeit mit geflüchteten Menschen wären Standards Ihrer Ansicht nach hilfreich?“ haben wir die FSA-Fachkräfte in Sachsen gebeten, entsprechende Arbeitsinhalte zu benennen. Weiterhin zentrale standardisierbare Arbeitsbereiche sind aus Sicht der Praktiker*innen das Beratungssetting (vertraulich, unabhängig) und die Beratungsinhalte (Aufgabenbereiche, Eingrenzung), die Qualifikation des Personals(Aus- und Weiterbildung) sowie Instrumente/Methoden Sozialarbeit allgemein(Supervision, kollegiale Fallberatung).
Auf der anderen Seite bestimmen die Fachkräfte Bereiche, in denen sich ihre Arbeit nicht regulieren bzw. formalisieren lässt.
So lassen sich also zwar einerseits zwar bestimmte „strukturelle Leitplanken“ zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit und der Qualität in der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen bestimmen, die auch ihren Niederschlag in gesetzlichen Regelungen finden sollten; diese sollten aber ein situationsangemessenes und flexibles Handeln nicht behindern.
5. Standardisierung von Personalschlüssel
In unserer Fachkräftebefragung 2023 fragten wir auch nach gegebenen und gewünschten Personalschlüsseln.[19]
Laut Einschätzung der Befragten hat sich der Personalschlüssel im Durchschnitt aller Landkreise und kreisfreien Städte nicht verändert und verbleibt auf einem Niveau von rund 1:112. Damit läge der aktuelle Personalschlüssel doppelt so hoch wie der als Optimum anvisierte. Interessant ist darüber hinaus die Langzeitperspektive auf diese Zukunftsvision: Der Idealzustand liegt seit Beginn der Befragungen vor 6 Jahren – und damit trotz wechselnder Rahmenbedingungen – gleichbleibend bei rund 1:60.
6. Standardisierung von Qualifizierungen
Die bestehenden Regelungen zur den Qualifikationsanforderungen der Flüchtlingssozialarbeiter*innen finden sich in der RL Soziale Betreuung:
Personalausgaben sind grundsätzlich nur zuwendungsfähig für
a) Diplom-Sozialpädagogen und Mitarbeiter mit vergleichbaren Studienabschlüssen,
b) Personen mit besonderen Kenntnissen, interkulturellen Fähigkeiten oder praktischen Erfahrungen, welche für die soziale Betreuung von Flüchtlingen förderlich sind. Die besonderen Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen sind durch geeignete schriftliche Bestätigungen (beispielsweise Zeugnisse, Zertifikate, Arbeitsverträge) nachzuweisen.
Demgegenüber sind Formulierungen, wie sie im in der Durchführungsverordnung zum Brandenburger Landesaufnahmegesetz[20] getroffen werden, weitgehender und dementsprechend vorzuziehen (wenn nicht im Gesetz, so doch ebenfalls in einer Durchführungsverordnung):
3.5 Personal (Qualifikation und Vergütung der Beschäftigten)
3.5.1 Die in der Migrationssozialarbeit Beschäftigten haben über die erforderlichen Kompetenzen und Fachkenntnisse, in der Regel über die Qualifikation einer staatlich anerkannten Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin oder eines staatlich anerkannten Sozialarbeiters/Sozialpädagogen im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Brandenburgischen Sozialberufsgesetzes nachweislich zu verfügen.
Darüber hinaus sollten sie insbesondere über
- einschlägige Fremdsprachenkenntnisse,
- aktuelle Kenntnisse des Ausländerrechts, insbesondere des Asylgesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie des einschlägigen Sozial- und Verwaltungsrechts,
- Kenntnisse zu migrations- und fluchtspezifischen, kulturellen und religiösen Besonderheiten der Zielgruppen der Migrationssozialarbeit,
- Kenntnisse über politische und soziale Verhältnisse in den Herkunftsländern und
- interkulturelle Handlungskompetenz sowie die Fähigkeit zu kultursensiblem Verhalten verfügen.
3.5.2 Sofern Beschäftigte der Migrationssozialarbeit mit Minderjährigen arbeiten, ist durch regelmäßige Vorlage eines Führungszeugnisses nach § 30 Absatz 5 und § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes sicherzustellen, dass diese nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 182 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuches verurteilt worden sind.
3.5.3 Für Personal, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits im Aufgabengebiet der Migrationssozialarbeit beschäftigt wird, kann von beruflichen Qualifikationsanfordernissen abgewichen werden, sofern das Personal über entsprechende Kompetenzen, insbesondere fachliche und soziale Fähigkeiten einschließlich einschlägiger praktischer Erfahrungen, nachweislich verfügt und die Bereitschaft zur tätigkeitsbezogenen Fort- und Weiterbildung hat.
3.5.4 Ausnahmen von Qualifikationsanforderungen bedürfen der Zustimmung der Erstattungsbehörde nach dem Landesaufnahmegesetz. Die Zustimmung kann insbesondere erteilt werden, wenn der Fachkräftebedarf im
Bereich der unterbringungsnahen Migrationssozialarbeit anderweitig nicht gedeckt werden kann und die jeweilige Person über dem Aufgabengebiet entsprechende Kompetenzen und Kenntnisse verfügt oder diese in angemessener Zeit tätigkeitsbegleitend durch entsprechende Fort- oder Weiterbildungen nachweislich erwirbt.
Für die Migrationssozialarbeit als Fachberatungsdienst und als spezifische psychosoziale Unterstützung sind Ausnahmen vom Fachkrafterfordernis grundsätzlich nur zulässig, sofern bei entsprechend spezialisiertem Aufgabenspektrum auch Psychologinnen und Psychologen oder andere Fachkräfte (beispielsweise Heilpädagoginnen und Heilpädagogen) einzusetzen sind.
3.5.5 Die Träger sind verpflichtet sicherzustellen, dass die in der Migrationssozialarbeit Beschäftigten regelmäßig an für das Aufgabengebiet erforderlichen Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können.
Zudem gewährleisten sie die Qualifizierung der Beschäftigten durch Supervision, Intervision und anderweitige fachliche Begleitung und Unterstützung.
Resümee
Die bestehenden Strukturen der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen zeigen deutlich, dass FSA als mittlerweile etablierter Migrationsfachdienst in Sachsen auf kommunaler Ebene wichtige, zentrale Integrationsaufgaben leistet. Daher sollte FSA als kommunale Pflichtaufgabe regelfinanziert und mit einem Personalschlüssel von 1:60 im Sächsischen Integrations- und Teilhabegesetz verankert sein. Qualifikationsanforderungen sollten Abschlüsse in Sozialer Arbeit oder Sozialpädagogik, einschlägige Fremdsprachenkenntnisse, aktuelle Kenntnisse des Ausländerrechts/ Asylgesetzes/ Asylbewerberleistungsgesetzes/ Sozial- und Verwaltungsrechts, Kenntnisse zu migrations- und fluchtspezifischen, kulturellen und religiösen Besonderheiten der Zielgruppen der Flüchtlingssozialarbeit, Kenntnisse über Herkunftsländer sowie interkulturelle Handlungskompetenz umfassen. Um Rechtsansprüche, Bedarfe und Interessen von Adressat*innen entsprechend des Tripelmandats der Sozialen Arbeit zur Geltung zu bringen, muss das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden und Flüchtlingssozialarbeit zwingend an freie Träger vergeben werden.
Zu befürworten ist ein partizipatorische Integration- und Teilhabegesetz für den Freistaat Sachsen. Ein assimilatorisches Integrations- und Teilhabegesetz, wie es der Freistaat Bayern 2019 verabschiedet hat, wirkt exklusiv und ist daher abzulehnen.
„Entscheidend für Teilhabe sind aber außerdem die Strukturen, Institutionen und das Selbstverständnis der ganzen Gesellschaft […]. Integrationsgesetze verbessern nicht automatisch die Integrationspolitik, aber sie können spürbare Wirkung entfalten – insbesondere wenn die darin festgeschriebenen Ziele mit passenden Instrumenten und Strukturen, partizipativen Verfahren und nicht zuletzt auch finanziellen Ressourcen hinterlegt werden. Integrationsgesetze entfalten oft auch eine starke symbolische Wirkung: Sie erhöhen den politischen Stellenwert der Thematik und helfen, Integration als Querschnittsaufgabe zu verankern – institutionell und strukturell“.[21]
LaFaSt FSA/MSA in Sachsen
[1] Siehe auch Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE): Flüchtlingssozialarbeit in sächsischen und kommunalen Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete 2022, Drs.-Nr.: 7/12002, Antw SMS 30.01.2023.
[2] https://liga-sachsen.de/fileadmin/user_upload/news/2020/Liga-Sachsen-Position-Rueckkehrberatung-2020.pdf [29.08.2023]
[3] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/kommunale-migrations-und-fluechtlingspolitik/322591/interview-migrations-und-integrationspolitische-debatten-im-deutschen-staedtetag-ein-stimmungsbild/ [29.08.2023]
[4] Vgl. Astrid Henriksen (2019): Teilhabe fördernde Integrationsgesetze braucht das Land. In: Birgit Wartenpfuhl (Hrsg.): Soziale Arbeit und Migration. Konzepte und Lösungen im Vergleich. Wiesbaden: Springer VS, S. 103f.
[5] In der SächsKomPauschVO wird zu den Aufgaben der FSA „Betreuung und Beratung“ gezählt. Wir sprechen uns dafür aus anstatt des Begriffes der Betreuung von Unterstützung zu sprechen. Den Fokus eher auf Unterstützung zu legen implementiert den Empowermentansatz sowie die Hilfe zur Selbsthilfe.
[6] Vgl. Astrid Henriksen (2019): Teilhabe fördernde Integrationsgesetze braucht das Land. In: Birgit Wartenpfuhl (Hrsg.): Soziale Arbeit und Migration. Konzepte und Lösungen im Vergleich. Wiesbaden: Springer VS, S. 105.
[7] Vgl. www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/publikationen/zahlen-und-grafiken/
[8] Matthias Meißner (2018): Das Integrationsgesetz. Herausforderung und Chance für die Soziale Arbeit. In: Beate Blank, Süleyman Gögercin, Karin E. Sauer, Barbara Schramkowski (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Grundlagen – Konzepte – Handlungsfelder. Wiesbaden: Springer VS, S. 154ff.
[9] Vgl. Ebd.
[10] Vgl. Carolin Schmidt (2018): Inklusion als Analyseperspektive in der Fluchtforschung. Zeitschrift für Sozialpädagogik, 16(2), S. 118-137.
[11] Vgl. Margit Lehr, Marion Gemende (2022): Warum Flüchtlingssozialarbeit in Freier Trägerschaft agieren sollte und Öffentliche Träger dennoch Verantwortung tragen. In: Marion Gemende, Claudia Jerzak, Margit Lehr, Marianne Sand, Dorit Starke, Bernhard Wagner (Hrsg.): Flüchtlingssozialarbeit in Bewegung. Ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit am Beispiel der FSA in Sachsen. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 71 – 79.
[12] https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/19379-Saechsische-Kommunalpauschalenverordnung [29.08.2023]
[13] Referentenentwurf für Gesetz zur Förderung der Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat Sachsen (03.07.2023)
[14] Vgl. Böhnisch/Lösch zit. nach Hiltrud von Spiegel, (2004): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. München und Basel: Ernst Reinhardt., S. 37.
[15] Vgl. z.B. Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) (Hrsg.) (2014): Berufsethik des DBSH – Ethik und Werte. Forum Sozial 4/2014. Abrufbar unter: http://www.dbsh-hessen.de/uploads/tx_xpctypedownloadssimple/DBSH-Berufsethik-2015-02-08.pdf [29.08.2023]
[16] Vgl. Sylvia Staub-Bernasconi (2007): Vom beruflichen Doppel- zum professionellen Tripelmandat. Wissenschaft und Menschenrechte als Begründungsbasis der Profession Soziale Arbeit. Sozialarbeit in Österreich02/07, S. 8 – 17.
[17] Initiative Hochschullehrender (2016): Positionspapier: Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften. Professionelle Standards und sozialpolitische Basis. S.5. Abrufbar unter: https://www.fluechtlingssozialarbeit.de/Positionspapier_Soziale_Arbeit_mit_Gefl%C3%BCchteten.pdf [29.08.2023]
[18] Gemende, Marion/ Jerzak, Claudia/ Lehr, Margit/ Sand, Marianne/ Wagner, Bernhard (Hrsg.) (2020): Dokumentation des Reflexionstages am 4.12.2019 „Schon angekommen oder noch da?“ Flüchtlingssozialarbeit und Integrationsnetzwerke im ländlichen Raum, S.13. Abrufbar unter:
https://lafast-sachsen.net/media/2023/01/Fachtag-2019-Schon-angekommen-oder-noch-da-Fluechtlingssozialarbeit-und-Integrationsnetzwerke-im-laendlichen-Raum.pdf [29.08.2023]
[19] Die Kenntnisse zum Personalschlüssel sind generell unter den Befragten wenig verbreitet. 2017 konnten 109 Befragte Aussagen dazu treffen, 2020 und 2023 waren es nur je 61 Befragte. 34% gaben an, den Personalschlüssel nicht zu kennen („weiß nicht“).
[20] https://bravors.brandenburg.de/br2/sixcms/media.php/68/LaufnGDV-Anlage-4.pdf [29.08.2023]
[21] Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR, zit. nach: https://www.nachrichten.idw-online.de/2022/11/29/integrationsgesetze-in-den-laendern-und-was-der-bund-fuer-sein-partizipationsgesetz-daraus-lernen-kann [29.08.2023]