Multiprofessionelle Teams als Ressource und Herausforderung

Foto: Guillaume Robin / LaFaSt


In der landesweiten Fachkräfte-Befragung 2023 baten wir um die Einschätzung bzw. Stellungnahme zur Frage der Beschäftigung von Quereinsteiger*innen und daraus erwachsenden Ressourcen sowie Konflikten in den multiprofessionellen Teams. Als Ressourcen multiprofessioneller Teams werden erfahren: verschiedene Berufserfahrungen insbesondere in der Arbeit mit geflüchteten Adressat*innen, Sprach- und Kulturkenntnisse, sowie eigene Fluchterfahrungen, und daraus erwachsende persönliche Zugänge zu den Zielgruppen, Sensibilität für (eigene) Rassismen, Belastbarkeit, Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen.

Rund ein Drittel erfahren multiprofessionelle Teams als Anlass von Konflikten. Diskussions- und Konfliktpotential bieten Unterschiede in der Qualifizierung, da sich die verschiedenen fachlichen Kompetenzen und Zugänge zur Grundlagen, Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit auf Beratungsqualität, Qualitätsmanagement, Orientierung an fachlichen Leitlinien und Anleitung, aber auch in Team-Hierarchien auswirken (können). Fehlende Rechtskenntnisse können zu falscher Beratung vor allem im Asylverfahren führen, Unverständnis hinsichtlich der Hilfesysteme und -netzwerke zu falscher Verweisberatung.

Allerdings sind Qualifizierungsanforderungen auch begrenzt. Die Träger resp. die Teams benötigen Zeit und Personal für die Einarbeitung und spätere nachholende Qualifizierungen resp. eine entsprechende Konzepterarbeitung.

Das Forum 4 war als offener Austausch konzipiert und wurde moderiert von Petra Schickert (Kulturbüro Sachsen).

Folgende Fragen standen im Mittelpunkt:

  • Wo erleben Sie/ihr die Arbeit in einem multiprofessionellen Team als Bereicherung? Und wo als Konflikt?
  • Welche Lösungsansätze für diese Konflikte haben Sie/habt ihr entwickelt?

Begleitet wurde der Austausch durch eine Reflexion auf die Ergebnisse der Fachkräftebefragung 2023.


Wo erleben Sie die Arbeit in einem multiprofessionellen Team als Bereicherung?

Ergänzend zu den Antworten der Fachkräftebefragung beschrieben die Teilnehmenden des Workshops nach dem Austausch mit Kolleg*innen die Arbeit in multiprofessionellen Teams als Bereicherung, da:

  • viele und verschiedene Erfahrungen und Ressourcen im Team zur Verfügung stehen und auf dessen Grundlage ein breiter Austausch entstehen kann, der wiederum Perspektiven auf Zielgruppen und Aufgaben und die eigene und kollektive Fachlichkeit erweitern kann;
  • eigene Grenzen erkannt (und anerkannt) werden können und dies wiederum den offenen, hierarchiefreien Austausch fördert;
  • Heterogenität des Teams sowie verschiedene (herkunfts-)sprachliche Kompetenzen und kulturelle Hintergründe können als Türöffner für die Zielgruppen dienen;
  • Methoden verschiedener Professionen ins Team getragen werden;
  • zahlreichere und breitere Personalrekrutierung und -einstellungen ermöglicht werden.

Wo erleben Sie die Arbeit in einem multiprofessionellen Team als konflikthaft?

Die Entscheidung für multiprofessionelle Teams kann dazu führen, dass Standards der FSA herabgesetzt werden. In der Diskussion stehen hier in erster Linie professionelles (Selbst-)Verständnis, Mandat und Haltungen, fachliche Grundlagen wie Begriffe, die eine Positionierung zwischen Nähe und Distanz als Qualität der Beziehungsarbeit, des Sich-Einlassens, den Aufbau von vertrauensvoller Beziehungen und Empowerment begründen. Auch Zugang zu und Umgang mit Methoden und Konzepten führt zur unterschiedlichen Arbeitsweisen. Zusätzliche Anforderung durch Übernahme von Sprachmittlung kann für die jeweiligen herkunftssprachlichen Kolleg*innen zur Belastung werden. In dem Fall der Sprach- und Kulturmittlung ist insbesondere eine Rollenklärung gegenüber der Beratung notwendig.

Fehlt die Bereitschaft, diese fachlichen Aspekte zur Kenntnis zu nehmen und zu reflektieren, sich auf Qualifikation und Weiterbildungen einzulassen, entstehen Konflikte in den Teams. Die ersten Schritte dazu gehen die neuen Mitarbeitenden und die bestehenden Teams in der Einarbeitungsphase. Diese könne als Herausforderung und Aufwand wahrgenommen werden, insbesondere da es Einarbeitungszeit personelle und zeitliche Ressourcen bindet. Sie bietet aber auch die Chance, Standards im Team bzw. Träger von Beginn an aufzuzeigen und zu begründen.

Die Diskussion um die Anerkennung verschiedener Kompetenzen spiegelt sich darüber hinaus in den unterschiedlichen Gehaltsansprüchen wider.


Welche Lösungsansätze für diese Konflikte haben Sie entwickelt?

„Wege aus der Krise“ wurden in mehreren Richtungen gefunden – zum einen in der teaminternen Kommunikation und Interaktion, zum anderen im Bereich der Qualifizierungen.

Zu ersterem – der teaminternen Kommunikation und Interaktion – gab es folgende Ideen und zum Teil erprobte Ansätze:

  • Aufgaben im Team können je nach Ressourcen verteilt werden. Hilfreich dafür sind individuelle Kompetenzprofile.
  • Die Möglichkeit, Adressat*innen bzw. Klient*innen als Mitarbeiter*innen zu gewinnen, sollte aus zahlreichen Gründen genutzt werden und war bislang häufig erfolgreich, insbesondere nach längerer ehrenamtlicher Mitarbeit in der FSA und damit einhergehendem Wissen um kollegiale Zusammenarbeit im Team. Die Balance zwischen Anzahl und Kompetenzverteilung von Fachkräften und Quereinsteigenden sollte dabei im Blick bleiben.
  • Gewünscht wird eine offene Kommunikation im Team, sowohl in Dienstberatungen, bei Supervisionen, kollegialen Fallberatungen oder in peer-to-peer-Formaten, sowie Transparenz über Strukturen und Prozesse.
  • Herausforderungen, die mit der Einarbeitung von Quereinsteigenden entstehen, können auch als Chance verstanden werden, als Team in der FSA konzeptionell, fachlich und sozial zu wachsen. Grundbedingung dafür ist die Bereitschaft bei allen Mitarbeitenden sich für die Anliegen im Team zu öffnen und sowohl neues als auch etabliertes (Handlungs-)Wissen zur Kenntnis und ggf. anzunehmen.
  • Für diese Teamkultur findet sich eine Entsprechung auf der Ebene der einzelnen Mitarbeitenden: das Tandem. Dieses peer-to-peer-Format bietet Austausch auf Augenhöhe. Teil davon kann eine Hospitation bei Beratungsgesprächen sein, die anschließend gemeinsam ausgewertet und so ein Perspektivwechsel in beide Richtungen ermöglicht wird.

Zum zweiten Aspekt, den Qualifizierungen, werden verschiedene Möglichkeiten ins Spiel gebracht:

  • Auch hier sollten sich grundsätzlich alle Mitarbeitenden angesprochen fühlen, an Weiterbildungen teilzunehmen. In der FSA stehen vor allem grundsätzliche Reflexionsbedarfe zu Migration und Flucht an, einschließlich postkolonialer Ansätze und Theorien, Rassismuskritik, Critical Whiteness etc.

Neben den externen Fort- und Weiterbildungsangeboten können auch interne Fortbildungen organisiert werden.


LaFaSt

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

“Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Zeiten des migrationspolitischen Klimawandels” (2023)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net

Claudia Jerzak, Projekt LaFaSt
Petra Schickert, Kulturbüro Sachsen e.V.

Fotos: Guillaume Robin / LaFaSt


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