Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat?


Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (2016)

Gerade im Feld der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen sind die Fachkräfte mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse der Adressat*innen oft nicht ausreichend erfüllbar sind. So stehen beispielsweise dem Bedürfnis nach selbständiger Lebensführung vielfache rechtliche Restriktionen gegenüber, die die Möglichkeiten der Teilhabe enorm einschränken.

Die Erweiterung des Doppelmandats zu einem Tripelmandat macht Soziale Arbeit zu einer Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi, S. (2007), S. 8–17. / Staub-Bernasconi, S. (2007), S. 20–53.), wodurch sie sich als politisch unabhängig und als nur sich selbst, ihrem Wissen und ihrer Ethik verpflichtet, verstehen sollte. Diese Erweiterung und die Verpflichtung der Zielgruppe gegenüber kann als Legitimation gelesen werden, dass Sozialarbeiter*innen auch auf politischer Ebene agieren – sei es für die Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Klient*innen oder für die Veränderung gesellschaftlicher Bedingungen. Diese Theorie ist allerdings nicht immer konfliktfrei in der Praxis umsetzbar. So waren Überlegungen über eine Soziale Arbeit, welche durch einen staatlichen Auftrag nicht unabhängig agieren kann, zentrale Bestandteile der Diskussion dieses Arbeitsforums.

Hypothesen

  • Bei der Arbeit mit Minoritäten (Geflüchtete, Jugendliche, etc.) darf es kein Doppeltes Mandat geben.
  • Formale Regeln der Gleichberechtigung verhindern Gleichheit (z.B. AEMR).

Der heutige Sozial- oder Wohlfahrtsstaat in der BRD ist durch seine gesamte Entstehungsgeschichte nach der Typologie, welche Esping-Andersen (vgl. Benz 2014, S. 211) entwickelte, am ehesten als korporatistisches oder konservatives Wohlfahrtsregime zu bezeichnen. Wenngleich hier deutlich herauszustellen ist, dass diese Einteilung nur eine Orientierung in den Wesensmerkmalen darstellt. Durch die historische Entwicklung der einzeln betrachteten Länder haben sich die Regime in vielen Merkmalen vermischt. Wenn die jeweiligen Regime in Reinform existieren würden, wäre dies auf ein bestimmtes und einheitliches Wertesystem zurück zu führen, welches jedoch in seiner Homogenität, bezogen auf ein Land, in Frage zu stellen ist und real nicht existiert. In Deutschland kann z.B. das Gesundheitssystem als ein solidarisches Regime bezeichnet werden, was nach der Typologie von Esping-Andersen eher in den skandinavischen Ländern zu finden ist.

Eine spannende und für die weitere Betrachtung relevante Erkenntnis von Benz ist, dass im Zentrum des konservativen Wohlfahrtstaates tradierte und hierarchische soziale Gemeinschaften wie Familie, Volk und Stände stehen, auf denen bestimmte Machtstrukturen in Form von Sozialleistungen und dessen Zugang aufbauen. Dadurch werden der Sozialstaat und das damit verbundene System, in welchem sich die Frage des Mandates der Sozialen Arbeit stellt, zu einem historisch gewachsenen und im Grundgesetz unter Artikel 20 Abs. 1 verankerten Konstrukt. Durch diese Verankerung stellen auch die historische Verankerung und die damit verbundenen Konflikte eine nicht einfach zu verändernde Lebensrealität dar.

Um zu erklären, welchen tiefsitzenden Widerspruch die Debatte über das Mandat der Sozialen Arbeit anspricht, müssen wir zuerst einen genaueren Blick auf die Logik des Sozialstaates werfen. Die Realität unserer Gesellschaft und des Staates konstituiert sich in erster Linie aus dem System der Ökonomie, welches mit dem Markt die anderen Systeme Politik und Kultur miteinander verbindet und bestimmt (vgl. Fuchs-Goldschmidt 2012, S. 129). Nun sind wir durch die Literatur davon überzeugt, dass sich durch die Macht des Marktes die zuvor beschriebenen, tradierten Strukturen auflösen und bei der Konstituierung unserer Gesellschaft und dem ständigen Wandel nur noch eine nachrangige Rolle spielen. Doch blicken wir in die Regelungen unseres Sozialstaates, stellen wir an vielen Stellen fest, dass zuerst auf die tradierten Gemeinschaften geschaut wird und nicht auf eine Gerechtigkeit innerhalb der betroffenen Gruppen. Dabei wird das Dilemma der Sozialen Arbeit besonders stark herausgestellt, wenn man die Soziale Arbeit nicht als Teil der Zivilgesellschaft, sondern als Teil der Intellektuellen versteht (vgl. Hirschfeld 2015, S. 70ff), die mit Aufträgen versehen sind, die sich aus dem Sozialstaat herleiten lassen. Dort unterscheidet sich z.B. das Gesundheitssystem grundlegend, denn dort wird eine Solidargemeinschaft, zwischen gesunden und kranken Menschen gebildet, welche unabhängig von den Hierarchien bei einem kranken Menschen greift. Dies ist so in der Sozialen Arbeit nicht vorgesehen, es besteht hier keine Solidargemeinschaft zwischen Adressat*innen und dem Rest der Gesellschaft. Sozialarbeiter*innen können nicht als medizinisches Personal verstanden werden, welches den Auftrag einer Solidargemeinschaft hat, weshalb die Konstruktion des Sozialstaates ursächlich für Mandatsdebatten betrachtet werden kann.

Besonders in der Jugendhilfe wird das Dilemma der tradierten Gemeinschaften häufig zur größten Schwierigkeit, mit der sich die Soziale Arbeit auseinandersetzen muss, womit sie häufig an die Grenzen des Machbaren und somit ihrer Möglichkeiten stößt. Sie verkommt genau an diesem Punkt zu einer Dienstleistung, die angeboten, durchgeführt und abgerechnet wird, ohne wirklich entsprechend ihrer eigenen professionellen Zielvorgabe handeln zu können. Dies wird wiederum bestärkt durch die Einbettung in das System der Ökonomie, in welchem es grundsätzlich darum geht, defizitäre Erscheinungen bei Individuen abzubauen, damit sie wieder innerhalb des Systems funktionieren. Dadurch wird Soziale Arbeit zu einem Dienstleister und Stabilisator für das jeweilige System, welches sich hauptsächlich um Aktivierung, Inklusion und Integration in das bestehende System kümmert. Diese re-integrative Funktion Sozialer Arbeit lässt sich sichtbar machen und wird dadurch im Sinne des Systems abrechenbar.

Durch die Reduzierung der Sozialen Arbeit auf eine Dienstleistung wird das Verhältnis zum*r Klient*in zu einer Art Geschäftsbeziehung. Die Klient*innen werden damit zu Kund*innen und es findet eine Art Unterwerfung statt. Diese ergibt sich aus den Abhängigkeiten der Sozialen Arbeit und ihrer Finanzierung durch den Staat. Dort kommen zum einen der politische Wille und zum anderen ökonomische Mechanismen zum Tragen, die dazu führen, dass Bedarfe der Klient*innen gegeneinander abgewogen werden, wodurch sich Soziale Arbeit den Interessen der Politik und des Marktes unterwirft. Damit ist die von Rawls (Rawls 1996) beschriebene Gerechtigkeitstheorie, welcher ein Sozialstaat nach seiner Auffassung folgt, in Verbindung mit der Sozialen Arbeit innerhalb eines Dienstleistungsverständnisses stark in Frage zu stellen. Es ist schlichtweg nicht möglich, im heutigen Kontext Gleichheit und Gerechtigkeit bezogen auf Bedarfe und die Lebensrealitäten und -lagen sowie die Lebenswelten von Klient*innen herzustellen. Vielmehr greifen hier die Beschreibungen von Kraus, der das Verhältnis zwischen Staat, Sozialer Arbeit und Klient*in mit Destruktiver Macht und damit verbunden, der Destruktiver Kontrolle beschreibt (Kraus 2021, S. 109). Es ist in diesem Zusammenhang durchaus möglich sich der Destruktiven Macht des Staates als Sozialarbeiter*in zu entziehen, jedoch führt dies im Kontext des Dienstleistungsverständnisses dazu, dass damit die eigene wirtschaftliche Situation gefährdet wird. Somit reduziert und unterwirft sich Soziale Arbeit dem aktuellen System des Sozialstaates und die Wahrnehmung einer anwaltlichen Funktion für die Klient*innen wird nahezu unmöglich gemacht. Diese strukturell bedingte Unmöglichkeit des doppelten und Tripelmandates führt uns immer wieder an den Punkt, dass wir Fachtage und Debatten innerhalb unserer Profession zu eben genau diesem Thema durchführen, weil wir uns fragen, welches Mandat wir überhaupt haben und wie wir dies wahrnehmen können.

Die starke ökonomische Prägung der Sozialen Arbeit als Soziale Dienstleistung und die mittlerweile akzeptierte Lehre über einen Wirtschaftssektor, den sogenannten Dritten Sektor, die damit verbundenen Überlegungen zur Sozialwirtschaft, zeigen sehr deutlich die heutige Ausrichtung unseres Sozialstaates. Die Soziale Arbeit hat sich hier, nach meiner Meinung, zu sehr in den Markt bewegt und hat in vielen Organisationsprozessen ihren Fokus auf betriebswirtschaftliche Vorgehensweisen ausgerichtet. Sie verwischt dadurch ihre Kernaufgaben und vor allem entfernt sie sich dadurch von den Klient*innen. Wenn wir sagen wollen, dass der Sozialstaat einen Umverteilungsauftrag hat, müssen wir feststellen, dass die Soziale Arbeit in ihrer aktuellen Struktur nicht in der Lage ist, diesen Auftrag zu begleiten und im Sinne von Gleichheit und Freiheit zu agieren. Silvia Staub-Bernasconi beschreibt diese Ungleichheitsordnung nach Popitz als ein Legitimationsprinzip, um seine Macht zu sichern. Dabei werden illegitime Machtstrukturen durch die Soziale Arbeit ertragen, welche sie im Sinne ihres Auftrages eigentlich hinterfragen sollte (Staub-Bernasconi 2021). Vielmehr leben wir in einem Sozialstaat, der in den meisten Bereichen auf Ordnung, Kontrolle und Stabilisierung der Verhältnisse im Sinne einer neoliberalen Marktlogik ausgerichtet ist. Soziale Arbeit ist in den meisten ihrer Arbeitsfelder dabei ein vielversprechender und notwendiger Erfüllungsgehilfe, der sicher notwendig und wichtig ist. Jedoch kann festgehalten werden, dass diese Aufgaben mit der emanzipatorischen Perspektive und der Wahrnehmung eines politischen Mandates nichts mehr gemein haben.

Besonders schwer wiegt dies im Kontext der Jugendarbeit, aber auch im Zusammenhang mit der Arbeit mit geflüchteten Menschen. Es muss hier explizit auf die ursprünglich angedachte Funktion der Wohlfahrtsverbände rekurriert werden. Deren Kernaufgabe besteht darin, die sozialen Interessen ihrer Klient*innen und der Hilfebedürftigen gegenüber dem Staat zu vertreten und ihm somit immer wieder seine Umverteilungsfunktion näher zu bringen (vgl. Bauer 2017). Aus diesem Wechselspiel entsteht der Sozialstaat. Nun müssen wir aber bedenken, dass wir von lediglich sechs Wohlfahrtsverbänden sprechen, die eine Art Lobbyismus für die sozialen Interessen praktizieren und diese dadurch kommunizieren und durchsetzen sollen. Durch die unterschiedlichen Moral- und Wertevorstellungen der Träger soll eine möglichst breite und vielfältige Interessengemeinschaft entstehen, die im Sinne der Gleichheit und Freiheit eine Wechselwirkung zwischen Leistung und Gegenleistung herstellt, welche dann Gerechtigkeit und eine Art Reproduktion der Gesellschaft erzeugen soll (Fuchs-Goldschmidt 2012, S. 129). Häufig findet man dazu den Begriff der “intermediären Funktion”(Bauer 2017, S. 1020), welcher eine Vermittlung von sich widersprechenden Interessen und Logiken meint. Diese Funktion wird durch die Wohlfahrtsverbände unumstritten wahrgenommen, doch im Kontext der Sozialwirtschaft und der konfessionellen und strukturellen Einbettung bzw. ihrer verbandsinternen Selbstbilder muss hier kritisch hinterfragt werden, auf welchen Interessen ein besonderer Fokus liegt und in wie weit die Verbandsinteressen, im Sinne einer wirtschaftlichen Orientierung, mit den Interessen der Klient*innen kollidieren. Einen Wohlfahrtsverband, der explizit für die Interessen von Jugendlichen oder für die Interessen von geflüchteten Menschen einsteht, gibt es nicht.

Kurz umrissen stellen die Wohlfahrtsverbände heute keinen authentischen Spiegel unserer Gesellschaft mit allen existenten Gruppen mehr dar, da auch die Partizipations- und Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb der Organisationsstruktur sehr begrenzt sind. Dadurch entstehen ein Dilemma und gleichzeitig eine Herausforderung für den Sozialstaat und damit für die Soziale Arbeit sowie für die Wohlfahrtsverbände (ebd.). Eine intersoziale Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum kann so nur schwer stattfinden, da die Wohlfahrtsverbände, wie auch der Staat, im Zentrum ihrer Arbeit entsprechend dem konservativen Wohlfahrtsregime, die tradierten Hierarchien Familie, Volk und Stand betrachten (Benz 2014). Die breit gefächerte Bündelung von Interessen führt dazu, dass die teilweise schwer greifbaren und sich fortlaufend wandelnden Interessen junger Menschen hinten runterfallen. Der Fokus entsprechend der Machtsicherungslogik, basierend auf gegenseitiger Legitimation zwischen Wohlfahrtsverbänden als intermediäre Dienstleistungsorganisationen, dem Staat und dem Markt als formelle Sektoren sowie der Familie (etc.) als informeller Sektor, liegt dementsprechend auf den Bereichen mit den stärksten und kontinuierlichsten Finanzströmen (vgl. Staub-Bernasconi 2014, S. 372). Zu diesen kontinuierlichen Strömen gehören die Jugend oder die geflüchteten Menschen und eine damit verbundene emanzipatorische Arbeit, die ein politisches Mandat wahrnehmen kann, nicht.

Durch die Logik der Dienstleistung und die Bündelung von Interessen der unterschiedlichsten Adressat*innen wird der Blick von den Zielgruppen Jugend oder Geflüchtete abgewandt und die Fallstricke für deren Unterstützung können durch unsere Arbeit nicht mehr sichtbar gemacht werden (vgl. Benz 2014). Dadurch setzen die von Kraus beschriebenen Mechanismen der destruktiven Macht und Kontrolle ein (vgl. Kraus 2014, S. 109). Diese Mechanismen führen dann, unabhängig vom Widerspruch dazu, dass es immer weniger Angebote gibt. Der Widerspruch, der sich teilweise regt, kann vernachlässigt werden, da er nicht wirkmächtig genug ist, um eine tatsächliche Stimme im Rahmen der Aushandlungsprozesse zwischen Staat und Wohlfahrtsverbänden zu haben. Wie zuvor beschrieben, würde er anderen Interessen der Verbände zum Opfer fallen.

Dies alles ist verbunden mit einem Kreislauf, der dazu führt, dass die Macht der Erwachsenen, der Bestandsbevölkerung, des Staates und der Träger immer weiter wächst, da die Gruppen keinerlei Entfaltungs- und Organisationsmöglichkeit mehr haben. Entsprechend der durch Silvia Staub-Bernasconi erörterten Theoreme zur Machtstabilisierung greift hier auf der einen Seite das Bedürfnis-, Abhängigkeitstheorem, welches auf die Jugend bezogen meint, dass die häufig utopischen Wünsche der Jugendlichen an der Macht der Erwachsenen und der Institutionen scheitern.

Je besser der Staat, das Jugendamt, aber auch die Verbände diese Bedürfnisse kennen, desto größer wird nach Staub-Bernasconi die Macht, die über die Jugendlichen entscheidet. Bringen wir dies nun noch mit dem Organisationstheorem in Verbindung, bedeutet dies für die Jugendlichen, dass sie keine eigenen Organisationsstrukturen entsprechend einem Gegenmachtmodell aufbauen und etablieren können (Staub-Bernasconi 2014). Ohne die Existenz von derartigen Strukturen erlangen die Jugendlichen im Rahmen des Sozialstaates und der Wohlfahrtsverbände kein Mitspracherecht, bezüglich der auch sie beeinflussenden Systeme Markt, Politik und Kultur. Die kulturelle Schichtung schafft zusätzlich noch soziale Ungleichheit, die auf die Jugendlichen einwirkt und sie zu unvollständigen Mitgliedern unserer Gesellschaft stigmatisiert. Dies äußert sich in Gesetzen und Rechten an denen Jugendliche, aber auch Geflüchtete, nicht teilhaben dürfen, obwohl sie unmittelbar von denselben betroffen sind. Die so auf die Adressat*innen einwirkenden Hierarchien und Ungleichheitsordnungen sind so allumfassend, dass es eigene Verbände je nach Adressat*innen und selbstorganisiert, von ihnen selbst gestaltet braucht, um diese Ungleichheitsordnung zu durchbrechen. Es gibt zwar Jugend- und Geflüchtetenverbände, die auch bis in die Bundesebene vertreten und organisiert sind, jedoch sprechen diese Verbände nur bedingt für eine repräsentative Mehrheit. Zum anderen sind sie denselben Zwängen und Ordnungen unterworfen wie andere Vereine, Träger und Verbände. Unterm Strich genießen sie nicht denselben Status wie ein Wohlfahrtsverband, welcher den Sozialstaat gemeinsam mit der Politik und dem Markt ausgestaltet.

Betrachtet man Soziale Arbeit also mit der Brille eines politischen Mandates, muss sie sich dieses Mandat auch von den Adressat*innen ihrer Arbeit und nicht vom Staat geben lassen. Dadurch wird das professionelle politisch und die Soziale Arbeit kann das Mandat der Adressat*innen wahrnehmen.

Das System in dem wir arbeiten

PowerPoint Präsentation – Tobias Burdukat


Diskussion

In einem zweiten Teil wurden im Forum Fragen nach dem politischen Mandat der Sozialen Arbeit diskutiert.

Welches Model der Verhandlung wird favorisiert?

  • Dialog: Verständigung – Konsens
  • Diskurs/Diskussion: Widerstand – Konflikt

Welches Mandat haben wir und sollten wir uns annehmen?

Warum haben sich Sozialarbeiter*innen noch nicht so organisiert, dass sie eine relevante Machtposition haben?

Forum 2 – Diskussion

Hierbei wurde von den Teilnehmenden die Frage gestellt, in wieweit Macht in der sozialen Arbeit, im Speziellen mit geflüchteten Menschen, eine Rolle spielt. Auf der einen Seite wurde eine höhere, staatliche Macht benannt, welche über Finanzierungsmöglichkeiten und somit über das Arbeitsverhältnis entscheidet. Auf der anderen Seite benannten die Teilnehmenden das Machtverhältnis der Sozialarbeitenden/Beratenden gegenüber ihren Klient*innen. Dabei war die Frage nach der Auftragserteilung in der Sozialen Arbeit zentral.

Wie kann Macht transparent gemacht werden? Es braucht dafür Diskurse/Auseinandersetzungen im Team und in den Netzwerken. Ungleichheitsverhältnisse müssen sichtbar gemacht und Adressat*innen gestärkt werden.

Wenn davon ausgegangen wird, dass staatliche Macht den Auftrag an Soziale Arbeit erteilt, müssen Fragen nach der Bewertung von Erfolg in der Sozialen Arbeit diskutiert werden. Ein Erfolg ist je nach Auftragslage verschieden zu beurteilen.

Wird die Eingangsfrage nach einem politischen Mandat der Sozialen Arbeit aufgegriffen, scheint es doch äußerst schwierig, diese zu beantworten. Eine politische Betätigung Sozialarbeitender ist sehr eingeschränkt. So ist die Nutzung des Streikrechts aus politischen Gründen in Deutschland rechtlich untersagt. Daneben untersagen diverse Förderrichtlinien eine politische Betätigung. Diese kann ausschließlich in der Freizeit wahrgenommen werden um sich für eine Verbesserung der Adressat*innen einzusetzen.

Betrachten wir die Adressat*innen als unsere Auftraggebenden, verändert sich einerseits das Machtverhältnis und andererseits werden Konzepte wie beispielsweise „Empowerment“ zu einem wirklichen partizipativen Moment.


Literatur

  • Bauer, R. (2017): Wohlfahrtsverbände. In: Kreft, D.; Mielenz, I. (Hrsg.): Wörterbuch Soziale Arbeit. Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Weinheim: Beltz Juventa, S. 1019–1023.
  • Benz, B. (2021): Wohlfahrtsstaatlichkeit und Soziale Arbeit in machtressourcentheoretischer Perspektive. In: Kraus, B.; Krieger, W. (Hrsg.): Macht in der Sozialen Arbeit. Interaktionsverhältnisse zwischen Kontrolle, Partizipation und Freisetzung. Detmold: Jacobs, S. 197-228.
  • Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (2016): Deutschsprachige Definition Sozialer Arbeit des Fachbereichstag Soziale Arbeit und DBSH [online]. Berlin: Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V., 10.09.2016. Verfügbar unter: www.dbsh.de/profession/definition-der-sozialen-arbeit/deutsche-fassung.html
  • Fuchs-Goldschmidt, I. (2012). “Moral, Gerechtigkeit, Inklusion – Begründungslinien eines modernen Sozialstaates”. In: Spieker, M. (Hrsg.): Der Sozialstaat. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 123–138.
  • Hirschfeld, U. (2015). Beiträge zur politischen Theorie Sozialer Arbeit. Hamburg: Argument Verlag.
  • Kraus, B. (2021): Soziale Arbeit – Macht – Hilfe und Kontrolle. Die Entwicklung und Anwendung eines systemisch-konstruktivistischen Machtmodells. In: Kraus, B.; Krieger, W. (Hrsg.): Macht in der Sozialen Arbeit. Interaktionsverhältnisse zwischen Kontrolle, Partizipation und Freisetzung. Detmold: Jacobs, S. 95-118.
  • Rawls, J. (1996). Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Staub-Bernasconi, S. (2007): Vom beruflichen Doppel- zum professionellen Tripelmandat. Wissenschaft und Menschenrechte als Begründungsbasis der Profession Soziale Arbeit. In: SiO – Sozialarbeit in Österreich. 02/07, S. 8–17.
  • Staub-Bernasconi, S. (2007): Dienstleistung oder Menschenrechtsprofession? Zum Selbstverständnis Sozialer Arbeit in Deutschland mit einem Seitenblick auf die internationale Diskussionslandschaft. In: Lob-Hüdepohl, A.; Lesch, W. (Hrsg.): Ethik Sozialer Arbeit: Ein Handbuch. Paderborn: Schöningh, S. 20–53.
  • Staub-Bernasconi, S. (2021): Macht und (kritische) Soziale Arbeit. Kraus, B.; Krieger, W. (Hrsg.): Macht in der Sozialen Arbeit. Interaktionsverhältnisse zwischen Kontrolle, Partizipation und Freisetzung. Detmold: Jacobs, S. 363-392.

Tobias Burdukat

Diesen Artikel finden Sie in der Dokumentation des Fachtages:

“Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Zeiten des migrationspolitischen Klimawandels” (2023)

Für eine kostenlose Druckversion schreiben Sie an info@lafast-sachsen.net

Forum 2 des Fachtages „Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Zeiten des migrationspolitischen Klimawandels“
Tobias Burdukat, Sozialarbeiter, ehemals offene Jugendarbeit, Grimma

Fotos: Guillaume Robin / LaFaSt


Andere Onlineartikel von Fachtagen lesen