Auswertung der Regionalwerkstätten 2022

von LaFaSt FSA/MSA in Sachsen


1. Ziel der Regionalwerkstätten

Die Landesfachstelle möchte mit der regelmäßigen Durchführung sogenannter Regionalwerkstätten eine Plattform bieten, die auf unterschiedlichen Ebenen Austausch- und Kooperationsgelegenheiten sowie Vernetzungsstrukturen bereithält, durch die eine weitere Professionalisierung der Flüchtlingssozialarbeit (FSA)/Migrationssozialarbeit (MSA) in Sachsen unterstützt wird.

Ein wesentlicher Aspekt des Konzepts der Regionalwerkstätten ist es, dass die Kommunikation innerhalb von handlungsentlasteten und hierarchiefreien Settings stattfindet, die zwar innerhalb des professionellen Kontextes angesiedelt, jedoch nicht Bestandteil des „Alltagsgeschäftes“ mit seinem Erfolgsdruck und seinen Handlungszwängen ist. Durch die Handlungsentlastung wird eine außeralltägliche Perspektive ermöglicht[1]. Es ist erlaubt und erwünscht, auch mal „um die Ecke“ zu denken und sich auf Argumente und Gedankenexperimente einzulassen. Durch die Abwesenheit von Hierarchie- oder Konkurrenzstrukturen werden die Reflexion des eigenen professionellen Handelns, die Vertiefung von Themen, die Erweiterung der eigenen Perspektive, die Aufnahme von Anregungen sowie die Weitergabe von Erfahrungen – bis hin zum Transfer von „Gelingender Praxis“ – in einer Weise ermöglicht, die in den üblichen professionellen Gremien meist zwangsläufig zu kurz kommen. Eine Bedingung ist dabei schließlich, dass die – in der Regel moderierte – Kommunikation in einem neutralen und geschützten Raum stattfindet. Insbesondere das gezielte Zusammentreffen von Akteur*innen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen bzw. Funktionen im Migrationskontext (wie FSA/MSA, aber auch MBE/JMD u.a.), aus unterschiedlichen organisationalen Handlungsfeldern (freie, kommunale, private Träger, Ehrenamtliche) sowie aus verschiedenen Sozialräumen bzw. Regionen – also die Kommunikation mit Akteur*innen, mit denen man im „Alltagsgeschäft“ nicht oder eventuell nur zweckgebunden zur schnellen Entscheidungsfindung, sehr strukturiert und formalisiert in hierarchischen oder konkurrierenden Settings zusammentrifft – ermöglicht in diesem Rahmen eine Erweiterung der Horizonte, eine Sensibilisierung für andere Perspektiven sowie den Zugewinn von Anregungen für das eigene Handlungsfeld.

Im Projektverlauf der Wissenschaftlichen Begleitung der FSA in Sachsen zeigte sich, dass die Durchführung von Regionalwerkstätten in diesem Sinne ein produktives und von den Teilnehmer*innen wertgeschätztes Instrument darstellt, aus dem das Projekt durchaus Erkenntnisse in die Praxis rückkoppeln konnte.[2] Nicht zuletzt wurde im Rahmen der Regionalwerkstatt 2017 von den Teilnehmenden erstmals die Idee einer Landesarbeitsgemeinschaft als Interessenvertretung der Praktiker*innen benannt und diskutiert.[3]


2. Gestaltung

2.1 Auswahl der Landkreise und kreisfreien Städte pro Regionalwerkstatt

Um in den Regionalwerkstätten eine möglichst gute Basis für Gespräche und Austausch zu schaffen, darf die Teilnehmendenzahl nicht zu groß sein, muss aber gleichwohl möglichst Akteure aus verschiedenen Regionen umfassen, damit der Austausch nicht weitestgehend unter Akteuren stattfindet, die bereits in der Praxis in Austausch sind. Aus diesem Grund wurden die Regionalwerkstätten jeweils in der gleichen Durchführung an mehreren Terminen für verschiedene Gruppen von Landkreisen konzipiert. Hier wurden in den letzten Jahren unterschiedliche Strategien genutzt. In den ersten beiden Jahren gab es Regionalwerkstätten, zu denen jeweils Akteure von fünf Landkreisen eingeladen waren. Zusätzlich wurde eine Regionalwerkstatt nur für die Akteure der drei kreisfreien Städte angeboten. Der Hintergrund dafür war die Annahme bzw. Rückmeldung von Praktiker*innen im Planungsprozess, dass die Gegebenheiten und Möglichkeiten in den Landkreisen sich derart von denen in den Städten unterscheiden würden, dass ein Abgleich der Problemstellungen bzw. eine Übertragung guter Praxis nicht möglich sei.

Im Planungsprozess der im Jahr 2022 durchgeführten Regionalwerkstätten schien dieser Unterschied eine geringfügigere Rolle zu spielen. Aus der Praxis wurde der Wunsch formuliert, sich mit Akteuren aus anderen, nicht benachbarten Landkreisen sowie auch aus den kreisfreien Städten auszutauschen, um Beispiele guter Praxis für den Umgang mit Problemlagen rund um die Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine zu finden. Um diesen Austausch mit „unbekannten“ Praktiker*innen, die nicht unbedingt in den eigenen Netzwerken mitarbeiten, zu ermöglichen, wurde Sachsen in eine eher nördliche und eine eher südliche Hälfte geteilt und zu den Regionalwerkstätten jeweils Akteure aus folgenden Städten und Landkreisen eingeladen:

Regionalwerkstatt I am 12.10.22:

  • Stadt Dresden
  • Landkreis Görlitz
  • Landkreis Bautzen
  • Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge
  • Erzgebirgskreis
  • Vogtlandkreis

Regionalwerkstatt II am 2.11.22:

  • Stadt Chemnitz
  • Stadt Leipzig
  • Landkreis Mittelsachsen
  • Landkreis Zwickau
  • Landkreis Leipzig
  • Landkreis Nordsachsen
  • Landkreis Meißen

An den Regionalwerkstätten nahmen Vertreter*innen öffentlicher und freier Träger aus dem Bereich Flüchtlingssozialarbeit sowie den im ersten Halbjahr geschaffenen Ukraineteams der kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig und aus den Landkreisen Bautzen, Meißen, Mittelsachsen, Nordsachsen, Zwickau, Sächsische Schweiz Osterzgebirge und dem Erzgebirgskreis teil. Insgesamt waren in beiden Regionalwerkstätten sechs öffentliche Träger und 18 freie Träger mit jeweils mehreren Personen vertreten. Zwei Akteur*innen waren überregional tätig bzw. kamen aus dem politischen Spektrum.

2.2 Ablauf

ZeitThemaMethodeZiel
10:00-10:30Begrüßung + VorstellungsrundeAufstellungen (nach Landkreis, Trägerart, FSA oder Verwaltung, Erwartungen an den Tag)Überblick über die Mitteilnehmenden  
Ab 10:30Situation in den Regionen Einander kennenlernen – sich als Ansprechpartner*innen kennen/ bei Fragen kontaktieren können Über den Tellerrand schauen  
45 min.Aktuelle Situation  
– Was hat sich durch die Fluchtmigrationsbewegungen in diesem Jahr in der FSA vor Ort geändert?
– Gibt es neue Anlaufstellen, neue Angebote, neue Konzepte?  
World Café I
– einzelne Vertreter*innen der Regionen gemischt an Tischen
– Kleingruppen (2er/3er)
– Vor Tischwechsel Kleingruppen durchmischen  
  Teilnehmer*innen erhalten im Austausch Informationen zu: Wie sind die Strukturen vor Ort aktuell? Welche Träger + Stellen + eventuelle Ansprechpartner*innen gibt es in den Regionen?    
45 min.Probleme und Lösungen
– Auf welche Probleme sind Sie gestoßen?
– Welche Lösungsansätze und neue Strategien gab/gibt es?  
World Café II
Probleme und Lösungen mit 2 verschiedenen Farben darstellen
  Austausch und Netzwerken Übertragbare gute Praxis finden  
12:00 – 12:45MittagspauseProjektteam: Clustern der Flipcharts aus den World-Café-Runden 
12:45    Vorstellung der geclusterten Ergebnisse des World-Cafés  PlenumArbeitsgruppen stellen ihre Diskussionen vor Rückfragen und Diskussion Formulierung von „Wünschen“ an verschiedenste Stellen  
14:15AbschlussKurzes Feedback     

3. Auswertung

3.1 Allgemeine Situationsbeschreibung:

Auffällig ist, dass die Situationsbeschreibungen aus der World-Café-Runde 1 eine erhebliche Schnittmenge mit den Problembeschreibungen aus der World-Café-Runde 2 haben. Die Situation der teilnehmenden Praktiker*innen wurde im letzten Quartal 2022 also insgesamt als problematisch wahrgenommen.

In beiden Regionalwerkstätten berichten die Fachkräfte über eine starke Zunahme der Zahl geflüchteter Menschen in Sachsen im Verlauf des Jahres 2022. Da die vorhandenen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen in allen Landkreisen für deutlich weniger Adressat*innen konzipiert bzw. geplant wurden, fehlt es momentan flächendeckend an notwendigen Kapazitäten und Ressourcen, um eine qualitativ und quantitativ angemessene FSA für alle Geflüchteten umzusetzen. Neben dem Mangel an verfügbarem Personal in der FSA beschrieben die Fachkräfte vor allem eine Knappheit in Bezug auf die medizinische Versorgung, die Unterbringung und die Verfügbarkeit von integrationsrelevanten Angeboten wie Sprach- und Integrationskurse sowie freie Schul- und Kitaplätze für geflüchtete Menschen.

Um die anfallenden Aufgaben und Herausforderungen dennoch bewältigen zu können, unterstützt und begleitet die Flüchtlingssozialarbeit vielerorts Geflüchtete in einem Umfang, der deutlich über die gängigen Personalschlüssel hinausgeht. Die negativen Auswirkungen dieser Überbelastung auf die Qualität der geleisteten Arbeit sind eine logische Folge und können auch durch die Neueinstellung von (fachfremdem) Personal kaum gemindert werden, da notwenige Abläufe unklar sind und ein erheblicher Teil der ohnehin knappen zeitlichen Kapazitäten der Fachkräfte für die Einarbeitungen investiert werden muss. Ergänzend zu den bestehenden Strukturen wurden zwischenzeitlich auch in anderen Bereichen (z.B. Ämtern und Behörden, aber auch in Offenen Treffs und angegliedert an bestehende Beratungsstrukturen) neue Stellen geschaffen. Welche Stellen dies betrifft, für wen sie ansprechbar sind und was die konkreten Aufgaben dieser Stellen sind, ist jedoch für die meisten Fachkräfte nicht transparent. Somit kann von einer eher geringfügigen tatsächlichen Entlastung der Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag durch die neu geschaffenen Stellen ausgegangen werden. Zusätzlich benannten die Fachkräfte die Veränderungen in der behördlichen Zuständigkeit, bezogen auf den Rechtskreiswechsel von Geflüchteten aus der Ukraine, als zusätzliche Arbeitsbelastung.

Als problematisch wird von fast allen Teilnehmenden beschrieben, dass die FSA und MSA zwar teilweise für 2022 aufgestockt wurde, aber die Finanzierung für das Folgejahr ungeklärt ist. Einige Landkreise gingen aufgrund der erhöhten Bedarfe der FSA/MSA in finanzielle Vorleistung, um Stellen aufzustocken. Die Gemeinden sind im Unklaren, wie die Kosten in Zukunft (bei konstant erwarteten Bedarfen) gedeckt werden können. Insgesamt besteht keine Planbarkeit der Arbeit nach dem 31.12.2022.

Die Praktiker*innen kritisieren darüber hinaus die Intransparenz bei der Vergabe von Fördermitteln. So werden teils etablierte Angebote nicht gefördert, während – auf das Feld bezogen – neue Träger Zuwendungen erhalten und sich den Aufgaben annehmen.

Verschiedene Vereine und Organisationen haben mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, Unterstützungsleistungen für die in Sachsen lebenden Geflüchteten zu erbringen und bearbeiten zusätzlich zu den Regelstrukturen Bedarfe der Zielgruppe. Das enorme ehrenamtliche Engagement – vor allem für die ukrainischen Geflüchteten – wirkte sich dabei spürbar entlastend auf das Hauptamt aus, da ein Pool an ehrenamtlichen Unterstützer*innen entstand, die wichtige Aufgaben mit übernahmen.

Im ersten Halbjahr des Jahres 2022 kam es innerhalb der sächsischen Gesellschaft durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu einer positiven Veränderung der Einstellung gegenüber dem Thema Flucht. Im Verlauf des Jahres schien diese Entwicklung – so die Einschätzung verschiedener Akteur*innen – bereits wieder rückläufig zu sein. Diese Wahrnehmung stützen die in den Regionalwerkstätten berichteten Vorfälle in Form von tätlichen und verbalen Angriffen auf geflüchtete Menschen im Landkreis.

3.2 Gibt es neue Anlaufstellen, neue Angebote, neue Konzepte?

Um die anfallenden Bedarfe in allen Bereichen decken zu können, entstanden neue Gemeinschaftsunterkünfte, welche – je nach Kommune von öffentlichen oder freien Trägern –betrieben werden. Außerdem wurden neue Stellen in den Bereichen FSA, MBE, Verwaltung und Dolmetscherdienste geschaffen, deren Weiterfinanzierung ab 2023 jedoch unklar ist. Diese temporäre Aufstockung der Stellen in den genannten Bereichen war ausschließlich für die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter konzipiert, sodass in diesem Zusammenhang neue Anlaufstellen mit dem Fokus auf die Gruppe der ukrainischen Geflüchteten entstanden. Angebote werden von neuen Trägern, auch aus den ukrainisch- und russischsprachigen Communities, umgesetzt. Hinzu kommen neue ehrenamtliche Strukturen, die eigenständig unterstützende Angebote entwickeln. So finden z. B. eine Vielzahl von Angeboten zum Spracherwerb außerhalb der finanzierten Integrationsstrukturen statt.

Regionale Beispiele (Stand Oktober 2022)

Dresden:

  • Neue Stellen sind für die Unterstützung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen entstanden. Diese sind an die vier Träger in der MSA angegliedert. Es arbeiten demnach vier, nach städtischen Regionalbereichen unterteilte Ukraineteams.
  • Ebenso wurde ein Ukrainisches Koordinationszentrum eröffnet, das mittlerweile an die Stadt gebunden ist.
  • Es gibt viele ehrenamtliche Strukturen in der Stadt.
  • Um die Erreichbarkeit mit der ukrainischen Zielgruppe zu verbessern, hat der Ausländerrat e.V. eine Telegrammgruppe für Ukrainer*innen in Sachsen mit etwa 8000 Teilnehmer*innen initiiert.
  • Es kommt immer wieder zu Überschneidungen der Tätigkeiten zwischen den Ukraine-Teams und der MSA, trotz der verschiedenen Arbeitsaufträge.

Landkreis Bautzen:

  • Es wurden zusätzliche Stellen im Bereich FSA und MBE für den Zuständigkeitsbereich ukrainische Geflüchtete geschaffen. Eine Aufstockung im Bereich JMD hat allerdings nicht stattgefunden.
  • Ebenfalls ist eine Trennung zu verschiedenen Gruppen von Geflüchteten erfolgt: anerkannte Geflüchtete, dezentrale Unterbringung und Übergangsmanagement. Dazu wurde ein Konzept entwickelt.
  • Im Landkreis etablierte Träger/Initiativen haben neue Angebote geschaffen. So hat der RAA-Sachsen e.V. einen Pool an Ehrenamtlichen, mit dem sie verschiedene Angebote umsetzt. Das Willkommensbündnis in Bautzen e.V. konnte einen kommunalen Sprach- und Integrationsmittlerdienst aufbauen, der landkreisweit verfügbar ist. Bei diesem Träger wurde eine niederschwellige Verweisberatung durch Ehrenamtliche geschaffen, die von der Gruppe der anerkannten und geduldeten Geflüchteten aufgesucht werden kann.

Erzgebirgskreis:

  • Die Johanniter-Unfallhilfe betreibt in Schneeberg Flüchtlingsunterkünfte mit einer Kapazität von 60 Plätzen und bietet mobile Beratung mit zwei VZÄ für etwa 100 Personen in zwei Städten an. Die mobile Beratung wurde leider nicht flächendeckend für den gesamten Landkreis geschaffen.

Chemnitz:

  • Hier bemerken die Fachkräfte einen Negativtrend in der Sozialen Betreuung. Etwa 50% der finanziellen Mittel werden wegfallen, was zur Unzufriedenheit sowohl bei den Berater*innen als auch bei den Klient*innen führt. Zusätzlich zu einer Arbeitsbelastung, die weit über dem gängigen Personalschlüssel liegt, wissen die Angestellten nicht, ob sie im Folgejahr ihre Stelle noch haben, und wenn ja, wie hoch der Arbeitsdruck sein wird.

Landkreis Leipzig:

  • In Borna ist eine zusätzliche Beratungsstelle geschaffen worden.
  • Der Personalschlüssel hat sich seit Beginn des Jahres etwa verdoppelt.
  • Es besteht der Wunsch nach mehr Fachkräften in Anbetracht des Arbeitspensums.
  • Zu Beginn des Jahres konnte auch in diesem Landkreis eine hohe Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung beobachtet werden. Im Laufe des Jahres hat das ehrenamtliche Engagement allerding wieder abgenommen, sodass die Aufgaben nun wieder fast gänzlich durch die hauptamtlichen Stellen bewältigt werden müssen.

3.3 Probleme

Diskriminierung/Ungleichbehandlung

Die Aspekte Diskriminierung und Ungleichbehandlung wurden in beiden Regionalwerkstätten häufig thematisiert. So benannten alle Arbeitsgruppen die strukturelle Ungleichbehandlung von ukrainischen und anderen Geflüchteten als Problem, das offen wahrgenommen wird. In der Praxis äußert sich dies unter anderem in der prioritären Bearbeitung der Anliegen ukrainischer Personen, wodurch die Belange der anderen Geflüchteten in Sachsen verlangsamt bearbeitet oder gar verschleppt werden. So stehen beispielsweise in manchen Regionen für Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern keine Plätze in den Sprachkursen zu Verfügung. Auch in der räumlichen Trennung von ukrainischen Geflüchteten, afghanischen Ortskräften und allen anderen Geflüchteten zeigt sich die beschriebene Ungleichbehandlung. Diese „Zwei-Klassen“-Gesellschaft unter den Geflüchteten nehmen einige Akteur*innen als „Asylrassismus“ war. Hinzu kommen tätliche Angriffe auf Geflüchtete durch Angehörige der Dominanzgesellschaft.

Ukrainische Zielgruppe

Durch den EU-Rats-Beschluss zur Anwendung der sog. Massenzustrom-Richtlinie in Verbindung mit dem Erlass der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) und dem Rechtskreiswechsel seit 01. Juni 2022 erhielten Geflüchtete aus der Ukraine u. a.  einen einfacheren und beschleunigten Zugang zur Grundsicherung (SGBII und SGBXII) oder zum Aufenthaltstitel. Somit sind die klassischen FSA/MSA-Strukturen nicht mehr für deren Unterstützung zuständig. Beratung erhalten ukrainische Geflüchtete so durch die MBEs (nach dem Auszug aus einer Gemeinschaftsunterkunft), aber auch durch die neu geschaffenen Ukraineteams. Durch den Wechsel der Zuständigkeit vom Ausländeramt bzw. Sozialamt zum Jobcenter kam es zu vielen Änderungen. Dies ging auf Seiten der Fachkräfte mit vielen Unklarheiten einher – wie sind die Abläufe bei der neuerdings zuständigen Behörde, wer übernimmt bestimmte Kosten (bspw. Sprachmittlung), welche Stellen übernehmen die Beratungs- und Unterstützungsaufträge?

Das gesamte Procedere des Ankommens von ukrainischen Geflüchteten in Sachsen wird von vielen Fachkräften als unkoordiniert wahrgenommen. Eine weitere Wahrnehmung der Fachkräfte ist, dass es nur noch punktuelle Zusammenarbeit von Akteur*innen der Sozialen Arbeit für ukrainische und andere Geflüchtete gibt, was von den Sozialarbeiter*innen als schwierige Entwicklung benannt wird.

Flüchtlingssozialarbeit

In Bezug auf FSA berichten die teilnehmenden Akteur*innen der Regionalwerkstätten, dass sich die Situation im Arbeitsfeld seit Beginn des Jahres 2022 im Allgemeinen verschlechtert hat. Durch die steigenden Geflüchtetenzahlen in Sachsen in Verbindung mit meistens gleichbleibender Finanzierung steigt der Personalschlüssel. Es wurden zwar teilweise neue Stellen geschaffen, diese sind allerdings oft befristet. Das Fehlen der nötigen Einarbeitungszeit und der – durch den Fachkräftemangel bedingte – Rückgriff auf Fachfremdes Personal wird dabei von den aktiven Fachkräften ebenso als Problem beschrieben. Dies unterstreicht die seit Jahren immer wieder erhobene Forderung nach ausreichender Qualifizierung des Personals durch Akteur*innen im Handlungsfeld FSA/MSA.

Die eben erwähnte Befristung der meisten Verträge führt immer wieder dazu, dass Fachkräfte aufgrund der Ungewissheit, in Bezug auf die Finanzierung im Folgejahr, in andere Handlungs- oder Berufsfelder abwandern. Die dadurch entstehende Personalfluktuation – ebenso wie Trägerwechsel – bewirkt, dass Wissen und praktisches Know-how nicht weitergegeben werden kann und die für dieses Handlungsfeld so wichtigen Arbeitsbeziehungen immer wieder abbrechen. Dies betrifft sowohl die Arbeit mit den Adressat*innen als auch die Netzwerkarbeit. Die beschriebenen Arbeitsbedingungen und die dauerhaft hohe Belastung führen, nach Aussage der Fachkräfte, zu einem hohen Krankenstand des Personals.

Eine tragende Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Übergangsmanagement, das als Schnittstelle gedacht ist. Jedoch kann hier eine gute Übergabe nur funktionieren, wenn langfristige Arbeitsabläufe klar sind und regionale Netzwerke bestehen. Dabei ist zu erwähnen, dass die Stellenverteilung im Bereich des Übergangsmanagements in den sächsischen Regionen sehr unterschiedlich gestaltet ist.

Qualifikation

Die Frage nach der Anerkennung von beruflicher Qualifikation stellt sich verstärkt. Zusätzlich zum bestehenden Fachkräftemangel gibt es kaum oder keine Weiterbildungsmöglichkeiten, vor allem wohl keine zeitlichen Ressourcen. Beschrieben wurde eine Beeinträchtigung des beruflichen Alltags durch fachfremdes sowie unzureichend qualifiziertes Personal, da dies oft nicht über das notwendige Wissen bzgl. fachlicher Standards, Selbstverständnis und Methodik Sozialer Arbeit verfügt.

Zusammenarbeit mit FSA/MBE/JMD

Die Abgrenzungsprobleme zwischen FSA, MBE und JMD verstärkten sich. Das bietet Potential für Konflikte, da durch überschneidende Aufgaben Doppelbelastungen entstehen. Hier wünschen sich die Fachkräfte eine klare Trennung im Zuständigkeits- und Aufgabenbereich.

Zusammenarbeit mit Behörden

Die Zusammenarbeit mit den Behörden wird unterschiedlich beschrieben. Mit vielen Behörden ist die Kommunikation schwierig. Eine Überlastung der Ämter ist spürbar. Die Fachkräfte bemerken, dass es im Zuge des erhöhten Antragsaufkommens aufgrund hoher Ankunftszahlen kaum oder gar nicht zu Personalaufstockung in den relevanten Behörden kam. Dies führt zu schlechter Erreichbarkeit und Überforderung wichtiger Ämter und Behörden für die Klärung der Anliegen der Adressat*innen und zu langen Wartezeiten für Entscheidungen und Bescheide. Um den erhöhten Arbeitsaufwand zu bewältigen, kam es zum Einsatz von Mitarbeitenden aus anderen Abteilungen der Verwaltung. Dis resultierte darin, dass teils unterschiedliche Aussagen zu gleichen Sachverhalten getätigt wurden und die internen Prozesse – insbesondere in Bezug auf den Rechtskreiswechsel ukrainischer Geflüchteter – in der Wahrnehmung der Fachkräfte ineffektiv gestaltet wurden.

Weiterhin beschreiben die Praktiker*innen, dass einige Ämter ihre Aufgaben nur noch in Teilen erfüllen: das Ausfüllen von Formularen wird an die FSA und MBE delegiert, Nicht-Deutsch-sprechende Personen erhalten im Jobcenter zumindest eines Landkreises keine Auskünfte.

Kommune

Es gibt Städte und Gemeinden, die durch erhöhtes (finanzielles) Engagement die zusätzlichen Aufgaben ziemlich gut bewältigen. Dies führt jedoch – nach Meinung der Fachkräfte – zu einer Überlastung der kommunalen Haushalte.

Gesundheitsversorgung

Im Bereich der Gesundheitsversorgung für geflüchtete Menschen in Sachsen benennen die Fachkräfte Schwierigkeiten. Es besteht ein Mangel an Fachärzt*innen, insbesondere Kinderärzt*innen. Ebenso prekär wird das Feld der Traumabehandlung und -therapie wahrgenommen. Hierfür fehlt es an Plätzen, passenden Angeboten und Unterstützung in Bezug auf die Sprache, denn oft sind Besuche bei Ärzt*innen nur in Begleitung von Dolmetscher*innen möglich.

Zu dem allgemeinen Mangel an Fachärzt*innen kommt noch ein genereller Mangel an gesundheitlicher Versorgung im ländlichen Raum. Die Wartezeiten für Termine sind sehr lang.

Unterbringung

Es herrscht ein allgemeiner Wohnungsmangel in Sachsen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt, da es zu wenige Sozialwohnungen gibt, und freie Wohnungen oftmals – u. a. aus rassistischen Motiven – nicht an Geflüchtete vermietet werden. Barrierefreie Wohnungen sind ebenfalls sehr schwer zu finden. Daneben bestehen Probleme in der Finanzierung des Mobiliars und des Umzuges. Hier brauchen die Adressat*innen Begleitung und Unterstützung. In diesem Zusammenhang wird auch die unzureichende Verkehrsanbindung in ländlichen Räumen benannt. Möglicherweise ist damit gemeint, dass es in ländlichen Räumen eventuell Wohnraum gibt, die geflüchteten Menschen hier aber nicht einziehen können da sie aufgrund der Mobilitätseinschränkung nicht ihren täglichen Anforderungen (Schule, Sprachkurs, Termine, Arbeit…) nachkommen können.

Kinder

Die Kindertagesangebote und Schulen haben nicht ausreichend Plätze, um die Kinder und Jugendlichen zu betreuen/unterrichten. Besonders die ukrainischen Schüler*innen leiden unter dem Lehrer*innenmangel. Für sie wurden ukrainische Klassen gebildet. Hier sehen die Fachkräfte Probleme, da es nicht ausreichend Lehrer*innen gibt, die die Klassen unterrichten. Außerdem wird aufgrund dieses Mangels teilweise auch kein Deutsch als Zweitsprache unterrichtet, was für die Schüler*innen bezüglich einer weiteren Schullaufbahn in Deutschland negative Auswirkungen hat.

Auch im Bereich der Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten fehlt es an Kapazitäten und Personal.

Integration

Die Integrationsangebote im Freistaat werden als unzureichend wahrgenommen. Insbesondere für Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder ältere Geflüchtete ist der Zugang zu Integrationsangeboten schwierig. In ländlichen Räumen ist der ÖPNV kostenintensiv und erschwert durch die schlechte Erreichbarkeit den Zugang zu Kursen zusätzlich. Hinzu kommt, dass das BAMF aufgrund der erhöhten Zuwanderung im Jahr 2022 nicht ausreichend Deutschkurse anbieten kann, da es dafür an Lehrkräften fehlt. Des Weiteren werden die Integrationsbemühungen vieler Geflüchteter durch eine mangelnde Sprachmittlung und Knappheit an Dolmetscher*innen gebremst. Wo Kosten für Sprachmittlung aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, wird diese automatisch weniger in Anspruch genommen, was Teilhabemöglichkeiten erheblich begrenzt.

Ehrenamt

In vielen Regionen wird von einem starken Ehrenamt gesprochen. Durch den Krieg in der Ukraine kam es neben neugebildeten ehrenamtlichen Strukturen zur Reaktivierung bestehender Strukturen und Bündnissen. Neben den vielen unterstützenden Aufgaben füllen Ehrenamtliche Lücken und übernehmen beispielsweise Aufgaben bei der Sprachmittlung. Hier wünschen sich die Fachkräfte eine Anerkennung für die Ehrenamtlichen, die in vielen Bereichen wichtige Unterstützung leisten und die Fachkräfte entlasten.

Netzwerke

Es sind neue Netzwerke und Strukturen in regionalen oder thematischen Zusammenhängen entstanden. Allerdings führt fehlende Transparenz, beispielsweise bezüglich Stellensituationen und -vergabe, teilweise zu Misstrauen innerhalb von Netzwerken. Gute Netzwerkarbeit bedarf eines vertrauensvollen Umgangs zwischen den Akteuren, da sonst offener und konstruktiver Austausch verhindert wird und damit der gesamte Nutzen eines Netzwerkes gefährdet sein kann.

3.4 Welche Lösungsansätze und neue Strategien gibt/gab es?

Die Fachkräfte haben das Empfinden, dass nur kurzfristige bzw. Notlösungen von der Politik angeboten werden. Es wird eine hohe Flexibilität von den Fachkräften gefordert. Gleichzeitig werden im Bereich der Qualifikation die Standards sehr zurückgefahren. Durch die kurzen befristeten Arbeitsverträge und die Unklarheit über die Weiterfinanzierung bzw. den Abbau der im Jahr 2022 geschaffenen Stellen im Bereich FSA/MSA, wissen die Fachkräfte nicht, wie im Jahr 2023 die anfallende Arbeit ohne einen hohen Verlust an Qualität im Arbeitsfeld bewältigt werden kann. Hier braucht es eine Lobby für das Berufsbild und eine Wissensvermittlung bezüglich des Wertes und der Leistung der Sozialen Arbeit. Der Übergang in eine Regelfinanzierung ist nur ein Schritt Richtung Qualitätssicherung. Ein weiterer könnte ein Sächsisches Integration- und Teilhabegesetz (SITG) sein, welches die Bedürfnisse der Fachkräfte und die Zielgruppe involviert.

Die Fachkräfte wünschen sich für die Einarbeitung neuer Kolleg*innen Zeit und die Möglichkeit, neue Kolleg*innen zu begleiten. Hier könnte eine standardisierte Vorlage unterstützend sein. Ebenso wünschen sich die Fachkräfte regelmäßige Weiterbildungen.

Auch unterscheiden sich die Standards Sozialer Arbeit von Träger zu Träger. Auf dem Weg hin zu einer Professionalisierung der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten braucht es eine gute Strukturierung. Netzwerkarbeit als eine zentrale Aufgabe Sozialer Arbeit muss umsetzbar sein. Die Möglichkeit der Mitarbeit an Fachrunden dient dem Austausch und kann somit Arbeitsabläufe, durch einen transparenten Austausch wie andere Träger mit verschiedenen Situationen umgehen, absichern. Hier entstehen persönliche Kontakte, welche im Arbeitsalltag Absprachen und somit Abläufe vereinfachen.

Formuliert wurde der Vorschlag, feste Ansprechpartner*innen in den Ämtern und Behörden zu haben, um Fragen auf kurzem Weg klären zu können und in kürzerer Zeit zu Ergebnissen zu kommen. Es braucht allgemein mehr Absprachen zwischen allen Akteuren, die an/mit der Zielgruppe arbeiten.

Um bessere Möglichkeiten von Absprachen zwischen den verschiedenen Akteuren zu ermöglichen, wurde der Vorschlag eingebracht, verschiedenen Arbeitsbereiche im Kontext der Arbeit mit geflüchteten Menschen zumindest aber FSA und MBE unter einem Dach, in sog. „Integrationszentren“, anzubieten.

Die Fachkräfte fordern politische Entscheidungen (z.B. im SITG) hinsichtlich einer langfristigen und stabilen Förderungssituation der FSA. Die Arbeit kann nur durch eine Aufstockung der VZÄ zufriedenstellend erledigt werden. Hier wird als Orientierung die Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII eingebracht. Ebenso wünschen sich die Fachkräfte eine Berücksichtigung der notwendigen Mobilität bei Ausschreibungen. Hier müssen neben den räumlichen Bedingungen in ländlichen Regionen zeitliche und finanzielle Ressourcen für die Zielgruppe sowie die Fachkräfte Beachtung finden.

Dem aktuellen Dolmetscher*innenmangel kann damit begegnet werden, dass langfristig ein Sprachmittler*innenpool geschaffen wird. Kurzfristige Lösungen sind Programme oder Tools wie beispielsweise das Übersetzungsgerät „Vasco“. Die Software für solche Programme sollten von den finanziellen Mitteln abgedeckt sein.

Im Bereich der Beschulung ukrainischer Kinder und Jugendlicher wünschen sich die Fachkräfte deren Integration in deutsche Schulklassen.

Bei rassistisch-motivierten Vorfällen und Angriffen auf die Geflüchteten wünschen sich die Fachkräfte entsprechende Meldestrukturen, die bekannt sind und genutzt werden. Dort sollen die Vorfälle gesammelt und transparent gemacht werden.

In Bezug auf die Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen von Geflüchteten sehen die Fachkräfte Reflexionsbedarf auf politischer Ebene und benennen die Notwendigkeit von Lobbyarbeit und Sensibilisierung in Bezug auf dieses Thema. Wichtig sei auch der Austausch und die Kommunikation zwischen diesen Gruppen, damit es nicht zur Ausprägung von Feindbildern kommt.

3.5 Wünsche der Teilnehmer*innen:

Zusätzlich zu den Gruppenarbeiten in den World-Cafés gab es für die Teilnehmenden während der Regionalwerkstätten die Möglichkeit, ihre Wünsche (allgemein für den Berufsalltag, oder auch konkret an andere Akteure) zu benennen.

Im Folgenden sind diese gesammelten Wünsche aufgeführt:

Unterstützung bei den Vertragsverhandlungen beispielsweise in Form eines Erfahrungsaustausches zwischen den verschiedenen regionalen Trägern. Eine Verbändemitgliedschaft wird als eine Möglichkeit der Unterstützung gesehen.

Es wird sich (Rechts-)Beistand im laufenden Betrieb gerade in Bezug auf die Beratung der Zielgruppe gewünscht, da dies Sicherheit im Umgang mit den Arbeitsaufträgen schaffen kann. Es gibt bereits gute Beratungsstrukturen für die Fachkräfte im Handlungsfeld (Sächsischer Flüchtlingsrat, Kommunale Integrationskoordinator*innen, Landesarbeitsgemeinschaft FSA/MSA, Landesfachstelle FSA/MSA).

Um die Qualität im Arbeitsfeld zu halten und zu sichern, braucht es auch für fachfremdes oder kurzfristig eingesetztes und/oder befristetes Personal eine Einarbeitungszeit. Weiterbildungen für Quereinsteiger*innen können hierbei unterstützen.

Dazu ist es nötig, dass innerhalb der Arbeitszeiten Kapazitäten zur Fort- und Weiterbildung ermöglicht werden.

Ein großer Wunsch bleibt es nach wie vor, dass die Strukturen der FSA verstetigt werden und nicht mehr als eine Projektförderung realisiert werden.

  • Es sollten ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Arbeit mit einem optimalen Personalschlüssel leisten zu können.
  • Die Akteur*innen wünschen sich in diesem Zuge auch, dass Förderbescheide bis zum 1.10. des laufenden Jahres ausgestellt werden um beispielsweise Fachkräfte bei einem Träger zu halten. Der Wunsch einer Förderung über einem Zeitraum von zwei Jahren wurde geäußert. Auch die Höhe der Fördersumme sollte bis Oktober des laufenden Jahres benannt werden. Hier stellt sich die Frage, ob dies über die KomPauschVO geregelt werden kann.
  • Netzwerke müssen etabliert werden, denn in Netzwerken als Orten des Erfahrungsaustauschs, können konkrete Lösungen zu bestimmten Themen erarbeitet werden und können damit einen Beitrag zur Stärkung des Arbeitsfelds leisten. Solchen Netzwerken sollten Personen mit Entscheidungsbefugnis angehören. Um den Austausch sachsenweit zu gestalten, können digitale Formate angeboten werden.
  • Durch Schaffung von Stellen und Kapazitäten in den relevanten Behörden kann die Zusammenarbeit und auch die FSA verbessert werden
  • Rufbusanbindung
  • Antirassismus-Schulungen für ÖPVN-Mitarbeiter*innen
  • Anerkennung Sozialer Arbeit als wichtiger Beitrag zur Integration

4. Fazit

Im Jahr 2022 kam es zu einer starken Zunahme der Zahl an Geflüchteten bei fast überall gleichbleibenden Kapazitäten der FSA/MSA. Aufgrund der Projektförderung ist die Finanzierung für das Folgejahr unklar, sodass bei den Regionalwerkstätten im Oktober/November 2022 keine Planbarkeit für Januar 2023 bestand. Ebenfalls aus Gründen der Förderart können in der FSA fast ausschließlich befristete Verträge vergeben werden –  gesammeltes Know-how geht verloren, wenn erfahrene Fachkräfte sich lieber eine „sicherere“ Arbeitsstelle suchen. Die Personalfluktuation und wiederholte Einarbeitungen von teilweise fachfremden Personal binden wichtige Ressourcen der Flüchtlingssozialarbeiter*innen, die dann in der unmittelbaren Arbeit mit den Adressat*innen fehlen.

Zwar wurden auch neue Strukturen, insbesondere für ukrainische Geflüchtete, geschaffen. Unklare Zuständigkeiten und ein längerer Aushandlungsprozess darüber, wie FSA/MSA mit diesen neuen Strukturen zusammenarbeiten kann, führten jedoch zu keiner spürbaren Minderung der Arbeitsbelastung auf Seiten der FSA/MSA. Auch wichtige Netzwerkarbeit, die zur Klärung von Arbeitsteilung z.B. mit JMD/MBE führen könnte, findet aus Zeitmangel nicht statt.

Insgesamt wurde vor allem im Zuge der Fluchtbewegung aus der Ukraine ein Aufleben des ehrenamtlichen Engagements konstatiert, das das Hauptamt spürbar entlastet hat. Auch wurde zu Beginn des Jahres nach dem Überfall auf die Ukraine eine Änderung der Stimmung in der Bevölkerung angesichts des Themas Flucht ausgemacht, die sich in der zweiten Jahreshälfte allerdings wieder gewandelt hat. Es wurde in den Regionalwerkstätten mehrfach von rassistischen Vorfällen und Angriffen auf Klient*innen berichtet. Rassistische Äußerungen und Handlungen durch die Bevölkerung, aber auch von Amtsträger*innen und Personen im öffentlichen Dienst, sind leider ein bekanntes Problem und weisen darauf hin, dass demokratiestärkende und antirassistische Maßnahmen sowie eine diskriminierungskritische Öffnung von Organisationen und Institutionen in Sachsen dringend notwendig sind.

Unisono wurde auch eine Ungleichbehandlung der Geflüchteten aus der Ukraine und aus anderen Herkunftsländern beschrieben und deren negative Konsequenzen für Personen, die nicht aus der Ukraine geflüchtet waren. Für diese wurden nun einerseits Zugänge zu Angeboten wie Sprachkursen eingeschränkt. Andererseits wurden deren Anfragen bei den Behörden laut den Teilnehmenden auch nachrangig bearbeitet. Diese Praxis führt natürlich zu Unzufriedenheit und negativen Zuschreibungen unter den verschiedenen Gruppen geflüchteter Menschen.

Die Zusammenarbeit mit Behörden wurde als durchwachsen dargestellt. Oft sei die Überlastung in den Ämtern spürbar, was zu schlechter Erreichbarkeit führe und die Klärung der Anliegen der Adressat*innen der FSA/MSA erheblich erschwere und verzögere.

Insgesamt wurde ein breiter Ressourcenmangel erläutert: den Trägern fehlt es an Personal und Fördermitteln und damit fehlt es den Praktiker*innen an Zeit für adäquate Beratung ihrer Adressat*innen sowie für notwendige Weiterbildungen und Netzwerkarbeit. Es mangelt an relevanten Ressourcen in Bezug auf Wohnraum, Unterbringungskapazitäten, Kita- und Schulplätze, Gesundheitsversorgung, Sprachmittlung, Mobilität und Sprachkurse. Zumindest in Bezug auf die gesundheitliche Versorgung der Adressat*innen der FSA/MSA wäre die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für alle ein Mittel, um die Gesundheitsversorgung der Geflüchteten wesentlich zu verbessern – und nebenbei auch den (Arbeits-) Aufwand für Sachbearbeiter*innen in den Ämtern, Flüchtlingssozialarbeiter*innen und nicht zuletzt für die Betroffenen selbst, erheblich zu verringern.

Um die Qualität der FSA zu sichern, müssen Anstellungsverhältnisse längerfristig gesichert werden: Nur so gibt es eine ausreichende Einarbeitungszeit, was zu Sicherheit in den Arbeitsabläufen und zur Verstetigung von Wissen und Handlungsstrategien führt. Weiterhin eng mit der Qualitätssicherung der Arbeit verbunden sind Qualifizierungsmaßnahmen und regelmäßige Weiterbildungen – welche sowohl finanziell als auch arbeitszeittechnisch ermöglicht werden müssen.

Dass die finanziellen Mittel für die FSA trotz steigender Klient*innenzahlen gleich bleiben oder gar reduziert werden, führt zur Überforderung der Praktiker*innen in ihrer Arbeit. Im Vergleich zu den Regionalwerkstätten 2017 finden sich ähnliche Aussagen: „Die Teilnehmenden der Regionalwerkstätten sehen es mehrheitlich als problematisch an, dass die Flüchtlingssozialarbeit aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen einen Projektcharakter hat und ständig ihre Abschaffung befürchten muss.“[4] Die quantitative Fachkräftebefragung[5] zeigte, dass sich die Rahmenbedingungen für die FSA in der Wahrnehmung der Praktiker*innen im Jahr 2019 verbessert hatten. Derzeit haben sich die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte verschlechtert, sodass durchaus von einem Rückschritt zu den Gegebenheiten von 2017 gesprochen werden kann. Die Probleme decken sich in vielen Bereichen.[6]

In den Regionalwerkstätten wurde explizit die Hoffnung der Fachkräfte ausgedrückt, dass das geplante Integrations- und Teilhabegesetz bezüglich einer längerfristigen Finanzierung eine Verbesserung der Rahmenbedingungen bewirken könnte.

Durch Lobbyarbeit und Öffentlichkeitsarbeit müsse die Bedeutung der FSA und ihrer Rolle im Integrationsprozess ihrer Adressat*innen hervorgehoben und anerkannt werden. Es müsse klarwerden, dass diese Arbeit eine gesicherte und ausreichende Finanzierung braucht, um qualitativ gut arbeiten zu können.

Zum Ziel der Regionalwerkstätten:

Wie Eingangs dargestellt, ist die Regionalwerkstatt zuerst ein Ort des Austausches und der Kommunikation verschiedener Akteure zu aktuellen Anliegen der jeweiligen Teilnehmenden.

Dem Feedback der Teilnehmer*innen beider Regionalwerkstätten 2022 kann entnommen werden, dass der Austausch innerhalb der Regionalwerkstatt als gut und wichtig empfunden wurde. Die Mehrheit gab an, dass ihre Anliegen besprochen wurden und dass sie neue Anregungen mitgenommen haben. Viele Teilnehmer*innen konnten dort neue Ansprechpartner*innen finden und schätzten ein, dass sie sich ausreichend austauschen konnten. Viele der Teilnehmenden wünschten sich aber noch konkretere und übertragbare Lösungsideen.

Dass durch die Teilnehmenden eher wenig konkrete Lösungsansätze identifiziert werden konnten, liegt vor allem im kommunikativen und auf das „Einfangen“ und „miteinander teilen“ der Situationen in den jeweiligen Landkreisen ausgerichteten Grundkonzept der Regionalwerkstätten begründet.
Durch den kontinuierlichen Austausch von Erfahrungen und handlungsfeldbezogenem Wissen können konkrete Lösungen innerhalb der Regionalwerkstätten jedoch perspektivisch stärker forciert werden, indem z.B. Good-pactice-Lösungen explizit vorgestellt, diskutiert und mit den Teilnehmenden auf ihre Adaptierbarkeit hin untersucht werden.

LaFaSt FSA/MSA in Sachsen

Auswertung der Regionalwerkstätten 2022


[1] Vgl. Bergold, Jarg/Thomas, Stefan (2012). Partizipative Forschungsmethoden: Ein methodischer Ansatz in Bewegung. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 13(1), Art. 30 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1201302; 12.01.23).

[2] Vgl. Projekt „Wissenschaftliche Begleitung der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen“ an der ehs Dresden (2018): Auswertung der Regionalwerkstätten – Forderungen der Träger an die Politik. (https://ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/Forderungen_an_politische_Akteure_-_Ergebnisse_der_FSA-Regionalwerkstaetten.pdf).

[3] Vgl. Jerzak, Claudia; Simmat, Holger (2022): Die Landesarbeitsgemeinschaft Flüchtlingssozialarbeit/Migrationssozialarbeit in Sachsen als fachliche Organisation des Handlungsfeldes in Entwicklung. In: Gemende, Marion; Jerzak, Claudia; Lehr, Margit; Sand, Marianne; Starke, Dorit; Wagner, Bernhard (Hrsg.): Flüchtlingssozialarbeit in Bewegung. Ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit am Beispiel der FSA in Sachsen. Weinheim/Basel: Belz Juventa, S. 233-248.

[4] Projekt „Wissenschaftliche Begleitung der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen“ an der ehs Dresden (2018): Auswertung der Regionalwerkstätten – Forderungen der Träger an die Politik, S.1. (https://ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/Forderungen_an_politische_Akteure_-_Ergebnisse_der_FSA-Regionalwerkstaetten.pdf).

[5] Wagner, Bernhard (2021): FSA in Sachsen – Ergebnisse der landesweiten standardisierten Befragung der Fachkräfte. In: Engel/Jerzak/Sand/Starke/Wagner: Abschlussbericht 2020/2021 zum Projekt

„Wissenschaftliche Begleitung der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen – Unterstützung neuer Handlungsansätze zur Konsolidierung der FSA, Vernetzung der Akteure und sozialräumliche Integration“, S. 32-65. (https://ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/WissenschaftlicheBegleitungFSA_GESAMTBERICHT_2020-2021.pdf).

[6] Vgl. Projekt „Wissenschaftliche Begleitung der Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen“ an der ehs Dresden (2018): Auswertung der Regionalwerkstätten – Zukunft der Flüchtlingssozialarbeit. (https://ehs-dresden.de/fileadmin/FORSCHUNG/ehs-forschung/FSA/Auswertung_Regionalwerkstaetten_Sachsen_Zukunft_der_FSA.pdf).